Widerstand und Digitalisierung…
…oder warum Digitalisierung mehr als nur Breitbandausbau bedeutet
1. Was gibt’s Neues?
Zunächst ein kurzer Überblick, der zumindest die Spitze eines Eisbergs technischer Erneuerung skizzieren soll, der durch das 21. Jahrhundert treibt.
„Die USA haben das Internet, die Deutschen die Dinge. So lautet seit langem ein Bonmot über die Kräfteverteilung in Zeiten der Digitalisierung, und es war keineswegs positiv gemeint […]“. [1] Der Beitbandausbau, insoweit er die Verdrahtung Deutschlands betrifft, ist natürlich ein alter Hut und längst überfällig. Im Sinne eines kleinen Restes von Unabhängigkeit ist er vielleicht auch gar nicht schlecht. Die komplizierten gesetzgeberischen Verwicklungen zum Thema Netzinfrastruktur, die es hierzulande seit der Privatisierung der Post gegeben hat, verdienen gewiss eigene Artikel und sollen hier nicht weiter ausgeführt werden.
Spannender ist da schon 5G, ein digitaler Datenfunkstandard, der eine Bandbreite von einigen Gigabyte pro Sekunde bereitstellen soll. Die UNO hat ihn abgenickt und für gut befunden, nun soll er also kommen. Er soll das ermöglichen, wovon die Technokraten träumen: das Internet der Dinge. Der Toaster redet mit dem Kühlschrank, und der redet wiederum mit dem Lieferservice, und jener mit der Bank – in Echtzeit. Das schlaue Zuhause (Smart-Home) dreht die Heizung je nach Wetterlage rauf oder runter und macht auch das Licht aus, wenn wir’s mal vergessen. All dies ist sehr verführerisch, dient es doch unserer Bequemlichkeit. Die enormen Datenmengen werden dabei in einer Wolke unbekannter Herkunft gespeichert. Sie regnen auf uns herab, sobald wir es wünschen und darauf zugreifen wollen. Das ist unsere verengte Anwenderperspektive, wenn wir im Banne des flüssigen Kristalls auf die Bildgeber in unseren Händen starren.
Die größere Bandbreite des 5G-Standards soll indes alle technischen Vorgänge koordinieren, sprich kontrollieren. Das reicht im Zweifelsfall vom Hamburger Hafen bis zum Lichtschalter im Schlafzimmer. Fertigungsmaschinen, Heizungsventile, Messpunkte zur Feinstaubbelastung, Playlists für Kaufhausmusik … Die Liste ist so endlos wie total, und eben deshalb kommt es zu enormen Datenmengen, mit denen der 5G-Standard gerechtfertigt wird.
2. Beispiele der Vernetzung
Hier können nicht nur die Verkehrsflüsse in Häfen und auf Straßen verbessert werden, jeder technische oder organisatorische Vorgang in unserer Lebenswelt soll erfasst und gesteuert werden. Es reicht bis hin zur Möglichkeit, unsere Diät zu überwachen, und das ist ernst gemeint. Die Firma Hewlett-Packard hat vorgeschlagen, Ärzte mögen doch Rezepte zur Ernährung der Patienten ausgeben, deren Einhaltung dann von allerlei schlauen (smart) Geräten überwacht wird. Eine Einbindung der jeweiligen Krankenversicherung in den Datenfluss wurde nicht angesprochen, ist jedoch denkbar. [2]
In Deutschland plant die Industrie die Version 4.0 ihrer selbst. Die deutschen Dinge sollen dank totaler Vernetzung noch besser, pfiffiger und günstiger werden. Eine in viele Teile ausgelagerte, hochspezialisierte Zulieferung soll uns nach vorn bringen. Koordiniert und verwaltet von einem anonymen Netzwerk.
Appetit auf mehr? Stellen wir uns doch mal vor, wie gut das erst läuft, wenn wir 3D-Drucker haben, die 3D-Drucker absondern. Nanobots in der Blutbahn, welche die gutgemeinten Hinweise der Gesundheitsapplikation gleich an unsere Drüsen weiterreichen. Selbst wenn es zu Anfang manchmal schiefgeht – Maschinenlernen, was die bescheidenere und treffendere Bezeichnung für das ist, was die Optimisten künstliche Intelligenz nennen, sorgt auf die Dauer für unsere perfekte Funktionalität. Dann klappt das auch mit der genetisch verbesserten Nahrung, die patenrechtlich geschützte Teile unseres Fettgewebes ernährt. Kein Wort von Drohnenapokalypse und erst recht keines von Störanfälligkeit oder Korrumpierbarkeit durch kriminelle Energie – das sei den „Verantwortlichen“ ferne.
3. Tatsachen schaffen
Ganz entscheidend ist, dass bei solchen Vorgängen einfach Tatsachen geschaffen werden. Ob und, falls ja, welcher weise Plan dahintersteht, bleibt weitgehend im Dunkeln.
Damit das Leben viel besser läuft, macht man es den Leuten leicht. Das Internet der Dinge hilft den Menschen z. B. mit stetigen kleinen Erinnerungen, die ins Gesichtsfeld eingeblendet werden. Dies sind sogenannte Augmented-Reality-Anwendungen (augmented = vergrößert, erweitert), also eine computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. Will sagen, wir setzen eine Brille auf, oder in Kürze setzen wir uns eine schlaue (smarte) Kontaktlinse ins Auge, die uns dann nützliche Texthinweise (Werbung?) oder auch Börsenkurse in unser Gesichtsfeld einblendet. Wahlweise ließe sich auch das Antlitz unseres Gegenübers anhübschen, wie es derzeit schon im Digital-TV geschieht. Wie stets ergibt sich die Frage, wer hier in Echtzeit über die Erweiterung entscheidet, die dann als „wirklich“ gilt.
Hier beginnt der sogenannte Transhumanismus, laut Wikipedia „eine philosophische Denkrichtung, die die Grenzen menschlicher Möglichkeiten, sei es intellektuell, physisch oder psychisch, durch den Einsatz technologischer Verfahren erweitern will“ [3]. Der Transhumanismus möchte also durch eine Verbindung mit der Technik über das uns bisher bekannte Menschsein hinausgehen. Das klingt schon eher nach einem Plan, der, wie üblich, in Gestalt eines wohlmeinenden Hinweises daherkommt. Obwohl man hier ungern von Plänen oder Vorhaben, sondern lieber von „Entwicklungen“ spricht.
Wer hier Tatsachen schafft, wird deutlicher, wenn wir uns erinnern, dass die deutsche Industrie bereits im Oktober 2012 der Bundesregierung Umsetzungsempfehlungen zur Industrie 4.0 übergab. Hat hier jemand demokratische Meinungsbildung gesagt? Die ist in diesem Bereich genauso wenig vorgesehen wie bei den Fragen von Grenzöffnung und Großem Austausch. Es braucht wenig Phantasie, um sich auszumalen, wofür der Machtblock die genannten Technologien einsetzten wird. Ein Wettbewerb unter Zulieferern, wie „diversifiziert“ ihre Belegschaft ist? Denkbar. Die durchgehend afrikanisierte Werbung gibt uns einen Hinweis darauf, was gewünscht wird.
4. Politische Hintergründe
Wir kommen zu den politischen Hintergründen. Die „Verantwortlichen“ stehlen sich mit ihrer linksglobalistischen Einstellung eben aus genau dieser Verantwortung, lassen die Dinge geschehen, fügen sich scheinbar, verkaufen uns die Hölle als den Weg der guten Vorsätze. Das sei stets der Lauf der Dinge, schicksalhaft und unabwendbar. Widerstand ist zwecklos.
Die einzelnen Veränderungen gehören gewiss zusammen, beeinflussen sich gegenseitig. Ray Kurzweil, ein prominenter Vertreter der Transhumanisten, verbindet diese Vorgänge in einer endzeitlichen Erlösungsphantasie, welche er die „Singularität“ nennt. Das ist für ihn der Moment, in dem Miniaturisierung, Digitalisierung, Robotik und Genforschung ein solches Tempo an gegenseitiger Beschleunigung erreicht haben, dass danach im Wortsinn nichts mehr so ist wie zuvor. Alter, Geschlecht, Sterblichkeit, die Zugehörigkeit zu einer Spezies, einer definierten Person, Staat, Sprache, Körper – alles stünde dann zur Disposition. Die gesamte Welt, bis hinunter auf die molekulare Ebene, wäre dann vernetzt, unser Selbst oder das, was Kurzweil dafür hält, wäre dann in der ganz großen Cloud griff- und eingreifbereit. Wem das wie ein religiöses Versprechen erscheint, der ist auf der richtigen Fährte. Leider sind unsere Planungspriester jedoch armselige Philosophen und noch schwächere Theologen. Aber um die entsprechenden begrifflichen Nebelkerzen, welche den Alptraum verstecken sollen, sind die linken Autoren nie verlegen.
Schon vor über dreißig Jahren hat der Soziologe Ulrich Beck das in seinem Bestseller „Risikogesellschaft“ (1986) durchdacht und ausformuliert. Er sprach von einer zweiten Moderne (schon wieder so ein Widerspruch in sich selbst; „modern“ ist immer nur das, was jetzt gerade Mode ist) und erkannte vieles von dem, was wir hier ansprechen, schon damals. Dabei sollten Meinungsbildung und politische Entscheidungen „von unten“, also z. B. von Bürgerinitiativen oder durch Boykottbewegungen, durchgesetzt werden. Dass dies schon damals nicht mehr möglich war, weil die Linke dank Metapolitik und dem langen Marsch durch die Institutionen, an Universitäten und in den Redaktionen längst für eine heillose Sprachverwirrung gesorgt hatte, verschwieg er nicht, sondern versteckte es augenzwinkernd in dem Begriff „Subpolitik“, wohin er die Macht des Volkes deportieren wollte. Die Deutungshoheit seiner linken weltrevolutionären (globalistischen?) Avantgarde sollte schließlich unangetastet bleiben. Auf die eigentliche, transnationale Machtpolitik haben die Volksbewegungen also keinen Einfluss.
Scheinbar geht das alles perfekt auf, allerdings funktioniert dieses wissenschaftliche Sprachspiel nur so lange, wie man sich auf Begriffe wie „Entwicklung“, „Gesellschaft“ und „Individuum“ bezieht, und zwar in folgendem Soziologendeutsch (Zitat Wikipedia):
„Kosmopolitisierung meint den Wandel von einer Gesellschaftsform, die in Politik, Kultur, Wirtschaft, Familie und Arbeitsmarkt wesentlich durch den Nationalstaat geprägt ist, hin zu einer Gesellschaftsform, in der die Nationalstaaten sich von innen globalisieren (Internet und soziale Netzwerke; Export von Arbeitsplätzen; Migration; globale Probleme, die national nicht mehr zu lösen sind). Damit ist nach Beck kein Weltbürgertum, kein Kosmopolitismus im klassischen Sinne gemeint, kein normativer Aufruf zu einer „Welt ohne Grenzen“. Vielmehr erzeugen seiner Auffassung nach Großrisiken eine neue nationenübergreifende Zwangsgemeinschaft, weil das Überleben aller davon abhängig ist, ob sie zu gemeinsamem Handeln zusammenfinden, welches die Linke erfolgreich durchgesetzt hat.“ [4]
Hört, hört! Die Diktatur des alternativlosen Sachzwangs. Keine weiteren Fragen.
Der Transhumanist Stefan Lorenz Sorgner nimmt für den Transhumanen etwas Ähnliches in Anspruch, nämlich dass der Transhumane eine letztbegründende Wirkung für den Wissenschaftsgläubigen habe. Was diese Wissenschaftsgläubigkeit bedeutet, hat Nick Land schon vor einiger Zeit erklärt. [5] Aufklärung als der Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit durch eigene Anschauung und Überlegung ist nicht mehr möglich, wenn nur noch auf „Expertenurteile“ verwiesen wird. Der universelle Erklärungsanspruch hat die Wissenschaft korrumpiert und von einem institutionalisierten konstruktiven Zweifel in eine Kirche der letztgültigen Erklärung verwandelt, ohne deren Segen kein Anspruch auf Wirklichkeit mehr erhoben werden darf. Und wie jede Kirche zieht auch diese die entsprechenden Pfaffenseelen an.
Für einen Linken sind das natürlich alles „Entwicklungen“, „geschichtliche Notwendigkeiten“, wer da nicht mitmacht, ist schlicht dumm oder bockig. Das ist viel leichter durchsetzbar als ein Ziel, eine Weisung oder ein Plan, die womöglich demokratisch ausgehandelt und legitimiert werden müssten. Interessanterweise decken sich die Perspektiven Kurzweils, Becks und Sorgners mit der marxistischen Erwartungshaltung zum kommunistischen Paradies, das sich früher oder später verwirklicht, vollkommen zwangsläufig und „alternativlos“. Dieser Erlösungsglaube ist eben das, ein Glaube, der seinen christlichen Gott wegrationalisiert hat und nun eine Kirche betreibt, die er Fortschritt nennt, die Liturgie heißt er Wissenschaft.
Für diejenigen, welche keinen Genuss am Aroma von Fanatismus und Fundamentalismus jeder Schattierung haben, bietet sich Ernst Jüngers Theorem der Haltung an, in diesem Fall vielleicht ein heroischer Realismus, der dem Schicksal lieber in den Rachen greift, als es zu erdulden, wo er nicht muss, und müssen muss ja angeblich niemand in der schönen neuen Welt.
5. Die identitäre Perspektive
Sobald wir die Begriffe Herkunft, Sprache und Tradition einführen, bricht die Utopie der linken Globalisierer wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Dann klemmt der „unaufhaltsame Vorgang“ nämlich an allen Ecken und Enden, gleichgültig, ob es sich um die Entstörung unserer DSL-Anschlüsse oder die Zähmung nordafrikanischer Intensivstraftäter handelt. Der Begriff „Soft-Factor“, der vom unternehmerischen Arm der Globalisierer so gerne benutzt wird, ist ein Code für „identitär“, denn er steht für den jeweiligen kulturellen Hintergrung des Menschenmaterials. Menschenmaterial? Ja, denn das heißt human resource übersetzt. Machen wir uns nichts vor: Von den diversen Arbeitskulturen ist am Arbeitsplatz, wenn es ernst wird, die nordeuropäische, um nicht zu sagen: die deutsche Art gefragt, die Dinge anzugehen. Es braucht Leute, die Verantwortung übernehmen, also eine Handlungsethik statt einer Gesinnungsethik haben, und siehe da: Die Identitäre ist eine Bewegung, die genau das lebt. Als Beispiel kommen wir nochmal auf die Firma Hewlett-Packard und die per Breitbandverbindung überwachte Diät zurück. Eine konservative Handlungsethik sagt hier ganz klar: Lieber Patient, es ist deine Sache, wie du dich ernährst. Wenn du es nicht schaffst, dich zu kontrollieren, dann wende dich an deine Familie. Wenn die nicht vorhanden ist, dann geh zur Caritas, die übernimmt dann ihrerseits die Verantwortung für dich. Dann hast du aber auch nichts mehr zu sagen.
Es ist die Verführung durch all die tragbaren, bildgebenden Geräte, zusammen mit der allgegenwärtigen Reklame für sie, der Gruppendruck der virtuellen Freunde, die freundliche Anregung des Chefs, sich doch hier oder dort anzumelden, die uns wie hypnotisiert auf das bunte, flüssige Kristall starren lassen. Bin ich on, bin ich in? Hier setzt die Angstkontrolle der Gesellschaft an – Fragen, die sich nicht stellen, wenn man seine Identität kennt. Also können wir Identitäre das ganze Zeug benutzen, ohne uns davon abhängig zu machen, zumindest ein paar Filterblasen bleiben uns schon erspart. Die abgeschöpften Daten geraten uns mit etwas Glück – über Bande – zum Curve Ball. Will sagen: Da diese Daten ohnehin zur metapolitischen Agitation gehören, machen sie uns nicht erpressbar, sondern provozieren Re-Aktionen der Gegenseite. Wir bleiben in der Offensive, denn wir wollen niemals diese vollüberwachten Karriereschreibtische, mit denen man den Durchschnittsbürger lockt und gefügig macht, wir wollen nicht die durch konditionierte Reflexe eingehegte Konsumentenexistenz im zuckersüßen Multikulti-Land. Und gerade Leute wie uns werden sie suchen, wenn die Zyniker der Macht mal wieder Burnout, die Fachkräfte Ramadan haben und die Gutmenschen zum Gruppenkuscheln müssen. Plötzlich ist die Handlungs- und Verantwortungsethik gefragt, die den meisten anderen längst aberzogen worden ist.
Kurz, das Breitband ist ein Machtinstrument. Sollten wir uns scheuen, uns seiner anzunehmen? Das klingt jetzt hochgegriffen, klar, doch wenn wir uns anschauen, wie eine Handvoll kiffender Fanatiker unser Volk in eine Bevölkerung und unser Land in ein Verwaltungsgebiet bzw. einen „Wirtschaftsstandort“ verwandelt hat, dann dürfen wir uns einiges zutrauen. Vornehme Zurückhaltung ist diesen Figuren gegenüber jedenfalls völlig unangebracht.
[1] https://www.heise.de/tr/artikel/5G-Das-Sofort-Netz-4028886.html
[2] https://www.hpe.com/us/en/insights/articles/can-prescription-foods-change-your-life-1802.html
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Transhumanismus
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Beck
[5] http://www.thedarkenlightenment.com/the-dark-enlightenment-by-nick-land/