Sterben
Sie blickt uns an.
Vielleicht ist der Autor dieser Zeilen etwas überempfindlich, freundlichere Stimmen mögen es feinfühlig nennen. Doch immer wieder überfällt ihn in Alltagserlebnissen oder bei der Lektüre von Texten ein Horror, ein Schock, indem sich ihm der Verfall und der Selbsthass unserer Völker geradezu plastisch und personal zeigt. Glenerade wie in einem billigen Horrorfilm bricht aus einem Zeitungsartikel, einer grinsenden Nachrichtensprecherin, aus einem Passanten oder Nebenstehenden in der U-Bahn eine grinsende Fratze hervor, die ein einziges Wort sagt:
Sterben.
Wir, die gesamten westlichen, europäischen Völker sind besoffen und berauscht am Tod und Untergang. Gerade in seinen bürokratisch verwalteten, „optimistischen“ Formen, in der heiteren Gleichgültigkeit, mit der die pragmatischen Multikulti-Politiker unseren Untergang verwalten, schießt dieses Gesicht des Hasses umso radikaler heraus. Es ist ein unendlicher, unstillbarer, geifernder Hass, ein Geist der Rache und des Ressentiments, der sich in allen „menschenfreundlichen“, humanistischen und kosmopolitischen Visionen ausdrückt. Ein Hass gegen sich selbst.
Das ganze Volk atmet diesen Geist. Für die, die nicht denken und nur tun, denkt er vor. Sie sprechen seine Parolen nach, lachen über die Objekte seiner Häme, spucken auf die Objekte seines Hasses und verbeugen sich vor seinen Schützlingen. Die „geistige“ Schicht des Volkes, die Priester, Journalisten, Professoren, Künstler, etc. gehen indes voll in diesem Geist auf. Sie sind seine Bannerträger und Vollstrecker. Wie Priester eines irren Kultes vollziehen sie sein Werk der Rache und des Hasses. Ich will diesen Geist in drei kurzen Szenen umschreiben.
Die neue Stadt
Levinas, ein Philosoph auf den Abwegen von Heideggers Denkweg, hat ein Denken der „Alterität“ geprägt, in dem der „Andere“ eine wesentliche Funktion einnimmt. In ihm und seinem „Antlitz“ konstituiert sich erst auch das eigene Ich. Levinas treibt diese Tatsache eines Mitseins mit den Anderen aber in ein völliges Extrem. Er beschwört ein Ausgeliefertsein, ein Schuldigsein, ohne konkrete Schuld eine selbstauferlegte „Geduld des Erduldens.“ Sein Philosophie-Kollege und Post-Heideggerianer Jacques Derrida fleht ebenso den Fremden gleichsam an: Komm, nicht nur zu mir, sondern auch in mich. Besetze mich!
In diesen Zeilen verdichtet sich ein sado-masochistisches Syndrom, das heute Europa befallen hat und ein wesentlicher Aspekt dieses „Geistes“ ist. Jean Raspail, dessen Buch „Das Heerlager der Heiligen“ das Video und damit auch dieser Text gewidmet sind, hat es prophetisch und eindrucksvoll beschrieben. Es ist eine seltsame Heilserwartung, eine Lust an der Zerstörung und am Untergang, die das Europa in seinem Roman befällt, als die Armee der Armen auf es zuströmt.
Hinter all den Humanitätsbeteuerungen, hinter all den sozialtechnischen „Beweisen“, wie „bereichernd“ und ökonomisch unverzichtbar die Einwanderung sei, ortet Raspail die wahre Triebfeder: Es ist ein Selbsthass, eine Lust am Untergang, die hinter der „no border“-Idee steckt. Eigentlich wissen, ahnen und spüren es alle: die unkontrollierte Masseneinwanderung, das Einreißen der Grenzen und der große Austausch wird unsere Kultur und unser Wesen restlos beseitigen. Den wahren Grund für die Tatenlosigkeit gegenüber dieser Katastrophe erkennt Raspail nicht in einer Realitätsverweigerung oder einem „Nicht-Wissen“ der entscheidenden Kreise.
Gerade weil sie ahnend wissen, dass es unser Untergang ist, bejahen sie es. Gerade weil sie fühlen, dass es alles zerstört, wofür wir stehen, kaschieren und propagieren sie es. Sie treibt einer heiliger, asketischer Selbsthass an. Sie sind Flagellanten des Geistes, deren wahre Sehnsucht nicht die heile, bunte, grün-technologisch verwaltete „Diversity“-Welt der „neuen Städte“ ist. Ihre Sehnsucht ist die Selbstzerstörung, das vergewaltigt und durchdrungen werden. Der Einwanderer und Asylant, der in ihren Fantasien als genau jener Verdammte, Elende und Missratene aus Raspails Dystopie erscheint, muss als Vollstrecker, als Werkzeug dieser Selbstzerstörung und Auto-vergewaltigung dienen.
Die erste Szene, durch die ich den „Geist des Bösen“ blitzen sah, war ein Fernsehbericht über Stadtplanung. Keine Ahnung wie ich auf ihn gestoßen war. Auf jeden Fall führte ein x-beliebiger Grünpolitiker im Anzug — ein Person gewordener Ausgleich aus „Realo“ und „Fundi“ — stolz und optimistisch eine geplante Trabantenstadt vor. Sie sollte am Rande einer Großstadt entstehen und „alle Fehler“ früherer „Banlieus“ vermeiden. Grüne Oasen, verspielte Architekturen, Begegnungszonen, Geschäfte und Sportplätze – alles vor Ort und durchkomponiert. Ein kleines Universum für sich. Energieneutrale Häuser, ein Öko-Paradies, eine Vorschau auf jene weißen, stromlinienförmig designten Zukunftsstädte, die wir alle aus den Science-Fiction-Filmen kennen. Denn – so der optimistische Tenor – die Stadt werde ja jedes Jahr um knappe 30.000 Menschen „wachsen“.
Dieses „Wachstum“, das wissen alle, ist natürlich allein die Zuwanderung, der Austausch, der Massenimport Fremder. In diesem pragmatisch nüchternen, von tausenden aufstrebenden, europäischen Experten, Idealisten, Querdenkern, Architekten, Öko-Revolutionären, Start-Ups, Städteplanern und Sozialtechnikern geplanten Szenario der „Eingemeindung“ dieser eindringenden Heerscharen blickte, wie durch eine Maske, mit einem mal die Unmöglichkeit des ganzen Projekts. Und – in einem seltsamen Augenblick, einem Zwinkern, einem Zucken des Mundwinkels, schien es mir so, als wüsste dieser Sozial-Ingenieur, dieser telegene, stromlinienförmige, gesellschaftskritische Konformist das selbst ganz genau.
Er weiß es und er will es. Er will durchdrungen, vergewaltigt, zerstört, besetzt, erobert und erlöst werden. Erlöst nicht “zu”, sondern “von”! Von der unendlichen Last einer Geschichte und Vergangenheit, die er nicht mehr tragen, nicht mehr ertragen kann. Jean Raspail hat dieser Müdigkeit, die nur mehr hassen kann, diesem alten universalistischen Willen, der, bevor er sich selbst aufgibt, lieber das Nichts will, eine Stimme gegeben. Die Armada hat Europa erreicht. Alle vorher Begeisterten sind bereits geflohen. Eine Hauptfigur, ein Literaturprofessor, ist wie der letzte Wächter in Pompei im uralten Haus seiner Vorfahren geblieben. Da erscheint jemand auf seiner Veranda:
Über die kleine Treppe zum Gäßchen war ein junger Mann geräuschlos auf die Terrasse gelangt. Mit nackten Füßen, langen schmutzigen Haaren, bekleidet mit einem blumengemusterten Hemd, einem Hinduschal und einer Afghanenjacke.
»Ich komme von unten« sagte der junge Mann. »Fabelhaft! Fünf Jahre wartete ich schon darauf.«
»Sind Sie allein?«
»Augenblicklich ja. Mit Ausnahme von einigen, die schon an
der Küste sind. Aber andere kommen nach. Zu Fuß. Alle Schweine hasten nach Norden. Kein Auto in die Gegenrichtung. Werden verrecken, wollen es aber nicht anders. Werden toben, sich beschießen, werden zu Fuß marschieren, statt im Schlafwagen zu fahren.«»Waren Sie unten, in der Nähe der Küste?«
»Ganz nahe. Aber nicht lange. Habe Kolbenschläge bekommen. Ein Offizier hat mich Ungeziefer geheißen. Aber ich habe Soldaten gesehen, die heulten. Das ist gut so. Morgen wird man das Land nicht mehr wiedererkennen. Es wird wie neugeboren sein.«
»Haben Sie die gesehen, die von den Schiffen gekommen sind?«
»Ja.«
»Und Sie glauben, daß Sie jenen gleichen? Sie haben doch eine weiße Haut. Sie sind sicher getauft. Sie sprechen französisch mit dem hiesigen Dialekt. Sie haben vielleicht in dieser Gegend Eltern?«
»Was soll’s? Meine Familie geht jetzt an Land. Ich gehöre zu der Million Brüder, Schwestern, Väter, Mütter und Verlobten. Mit der ersten, die sich bietet, werde ich ein Kind machen, ein dunkelhäutiges Kind. Dann bin ich ihresgleichen.«
»Sie werden gar nicht mehr leben. In dieser Masse gehen Sie unter. Sie werden nicht mal beachtet werden.«
»Mehr will ich nicht. Heute morgen sind meine Eltern abgereist, mit meinen beiden Schwestern, die plötzlich Angst bekamen, vergewaltigt zu werden. Waren vor Angst entstellt. Sie werden sie doch erwischen. Alle werden erwischt werden. Sie konnten wohl abhauen, aber diese Leute sind erledigt. Wenn Sie das Bild gesehen hätten. Meinen Vater, wie er die Schuhe aus seinem Laden in seinem hübschen kleinen Lieferwagen verstaut hat, und meine Mutter, die heulend aussortierte. Die billigeren Schuhe wurden liegengelassen, die teureren mitgenommen. Und meine Schwestern, die schon auf der vorderen Sitzbank saßen. Beide drückten sich eng aneinander. Sie betrachteten mich entsetzt, als wollte ich sie als erster vergewaltigen. Ich habe mich krumm und schief gelacht, besonders als mein Vater den eisernen Rolladen heruntergelassen und den Schlüssel eingesteckt hat. Ich sagte zu ihm: ›Glaubst Du, daß das was nützt? Ich mache Deine Tür ohne Schlüssel auf und zwar morgen. Und Deine Schuhe im Laden? Sie werden darauf pinkeln oder sie auch fressen, denn sie gehen ja barfuß.‹ So sind wir auseinandergegangen.«
»Und Sie? Was wollen Sie hier tun? In diesem Dorf? Bei mir?«
»Ich plündere. Ich glaube, daß außer der Armee und etlichen Kumpels im Umkreis von hundert Kilometern niemand mehr da ist. So plündere ich eben. Hunger habe ich keinen mehr. Ich habe schon zuviel gegessen. Um es richtig zu sagen. Ich brauche nicht viel, und außerdem gehört mir alles. Morgen werde ich ihnen alles anbieten. Ich bin sozusagen ein König und werde sie aus meinem Königreich beschenken. Ich meine, heute ist Ostern.«
»Ich verstehe nicht.«
»An Bord dieser Schiffe befinden sich eine Million Christusse, die morgen auferstehen werden. Und Sie, ganz allein … mit Ihnen wird auch Schluß sein.«
»Sind Sie gläubig?«
»Keineswegs.«
»Und diese Million Christusse, ist das Ihre Idee?«
»Nein. Aber bei der Sorte von Pfarrern finde ich sie hübsch. Sie fiel mir übrigens bei einem Pfarrer ein. Als ich hier heraufstieg, lief einer wie ein Verrückter hinunter. Nicht etwa verlegen, sondern ganz seltsam. Von Zeit zu Zeit blieb er stehen, hob seine Arme gen Himmel, wie die andern unten, und schrie: ›Danke mein Gott!‹ Dann setzte er den Weg zum Strand fort. Ich glaube, daß noch andere folgen.«
»Wer andere?«
»Andere Pfarrer von der gleichen Sorte. Aber Sie langweilen mich. Ich bin nicht zum Plaudern gekommen. Sie sind nur noch ein Gespenst. Was machen Sie noch hier?«
»Ich höre Ihnen zu.«
»Interessieren Sie meine Dummheiten?«
»Gewaltig.«
»Sie sind verdorben. Sie denken noch nach. Es gibt nichts mehr nachzudenken. Das ist auch vorbei. Hauen sie ab!«
»O nein!«
»Hören Sie mal! Sie und Ihr Haus gleichen einander. Man könnte sagen, Sie beide sind schon 1000 Jahre hier.«
»Seit 1673 genau«, sagte der alte Herr und lächelte zum ersten Mal.
»Dreihundert Jahre gesichertes Erbe.«
»Widerlich. Ich schaue Sie an und finde Sie tadellos. Deshalb hasse ich Sie. Und zu Ihnen werde ich morgen die Lumpigsten führen. Diese wissen nicht, wer Sie sind und was Sie darstellen. Für sie hat Ihre Welt keinerlei Bedeutung. Sie werden gar nicht versuchen, dies zu begreifen. Sie werden müde sein, Hunger haben und mit Ihrer schönen Eichentür Feuer machen. Sie werden auf Ihre Terrasse kacken und sich mit den Büchern Ihrer Bibliothek die Hände reinigen. Ihren Wein werden sie ausspucken. Mit ihren Fingern werden sie aus Ihren hübschen Zinntellern essen, die ich an Ihrer Wand sehe. Sie werden auf den Fersen hocken und zusehen, wie Ihre Sessel brennen. Aus der Goldstickerei Ihrer Decken werden sie sich Schmuck machen. Jeder Gegenstand wird den Sinn verlieren, den Sie dafür haben. Das Schöne wird nicht mehr schön sein, das Nützliche wird lächerlich und das Unnütze absurd werden. Nichts wird mehr einen echten Wert haben mit Ausnahme vielleicht eines in einer Ecke vergessenen Kordelstücks, um das sie sich streiten werden, wer weiß? Alles um Sie herum wird in Stücke gehen. Es wird furchtbar sein. Machen Sie sich aus dem Staub!«
»Noch eins: Jene werden verständnislos zerstören. Aber Sie?«
»Ich? Weil ich dies alles hasse. Weil das Weltgewissen verlangt, daß man dies alles haßt. Hauen Sie ab! Ich pfeife auf Sie!«
Mad Max
Ich gestehe es. Hin und wieder gibt sich der Autor dieser Zeilen nicht nur einer physischen, sondern auch einer geistigen Betäubung hin. Beim Besuch eines jener hypermodernen Kinozentren in einer jener grauenhaften Malls samt Popcorn und Softdrink wagt er sich tief in den Prototyp eines Nichts-Orts, ins Herz des Blooms vor. Der seltsame „Flow“, der in diesen modernen Tempeln herrscht, die bunte Auswahl aus allen exotischen Spezialitäten, dargeboten im einheitlichen Fast-Food Schema, die Shops, die „chilling areas“ dazwischen, alles erfüllt vom kabellosen Netzwerk, in das alle Insassen eingeklinkt sind.
Hier verschwinden Raum und Zeit, hier ist der Ruf von Kultur und Geschichte nicht mehr spürbar. Man verlässt Berlin, Dresden, Wien, Rom, Paris, sobald man einen dieser Tempel der Moderne betritt. Man tritt ein in eine klimatisierte Zwischenwelt, in der Zwischenwesen leben. Dieselbe globale Mode wird in denselben globalen Markenläden verkauft, dasselbe uniformierte globale Essen wird von denselben globalen Fastfood-Ketten an denselben Konsumenten gebracht. Dazu erklingt dieselbe seichte Pop-Musik. Und im Kino spielen dieselben Blockbuster.
Genau die zieht sich der Autor dieser Zeilen manchmal in einer seltsamen, masochistischen Aufgabe aller Prinzipien „rein“ und verkauft sich diese Aussetzer als „Studien“ am offenen Herzen des Blooms. Der letzte Film, der sich „gegönnt“ wurde, war der neueste Mad-Max-Streifen.
Die Postapokalypse, eine Welt der kleinen tribalistischen Konflikte, in der alle großen ideologischen Fragen vor der archaischen Notwendigkeit verblassen, ist einfach eine Art Porno für jeden Rechten, ob er sich das eingesteht oder nicht. Die unvergesslichen Worte Tyler Durdens aus „Fight Club“ jagen wohl nicht nur dem Verfasser dieses Artikels jedes mal aufs Neue einen Schauer über den Rücken.
In der Welt, die ich sehe, jagst du Elche durch die feuchten, bewaldeten Schluchten rund um die Ruinen des Rockefeller Center… Du trägst Ledersachen, die den Rest deines Lebens halten werden… Du kletterst die dicken Kutso-Ranken empor, die den Sears Tower umschlingen… Ein Blick hinunter, und du siehst winzige Gestalten, die Mais stampfen… Und Streifen von Wildbret auf der leeren Überholspur eines verlassenen Super-Highway auslegen…
Ein Stamm, das Gefühl eines abgegriffen-geschmeidigen hölzernen Speers in der Hand, nackte Fußsohlen auf Waldboden, Laufen im Mondlicht – irgendwie berühren solche oder ähnliche Erlebnisblitze eine tiefe Schicht in uns und bringen sie zum Schwingen. Wie auch immer – genau das durfte man sich im neuen „Mad Max“-Streifen auch erhoffen, eine kleine Immersion in eine Fantasiewelt, ein Eskapismus in Dolby Surround aus dem Status Quo – ganz ohne nötige Reflektion. Stattdessen fand ein 130minütiger Auftritt des Geists der Rache statt. Zumindest für die armen Seelen, die ihn sehen und spüren können.
Hinter atemberaubenden, perfekt orchestrierten Action-Szenen stand diesmal nicht die Idee der Postapokalypse. Keine Odyssee eines „lone wolf“ durchs Wüstenmeer von Insel zu Insel der Zivilisation, in der sich ein Strauß seltsamer Typen, Gesellschaften und Cargo-Kulte darboten. Das ganze war ein Film gewordener Hochgesang der Selbstaufgabe des „weißen Mannes“.
In einer lächerlich plumpen Skizze wurde die postapokalyptische Welt als Zwei-Klassen-Gesellschaft gezeichnet, deren ethnische Zusammensetzung sofort klar machte, wer „gut“ und wer „böse“ war.
Die „Oberschicht“, die auf einer begrünten, wasserreichen Zitadelle lebte, frönt einem kaputten nordischen Technopunk-Heidentum, ist bevölkert von verkrüppelten, widerlichen, eiterverbeulten, kranken Gestalten, die Menschen für Blut und Frauen für Muttermilch anzapfen. Sie sind Vampire, Ausbeuter, Teufel in Menschengestalt, Geisteskranke, Führerkultisten und – sie färben sich alle „weiß“. In einem „white painting“ wurde die Tatsache, dass es sich bei den „Bösen“ nur um ethnische „Europäer“ handelte, so deutlich gemacht, dass es auch der dümmste Konsument versteht.
Auf gigantischen Felsen, die nur über ebenso gigantische Plattformen und Seilwinden erreichbar sind, kultivierten diese weißen „Herren“ ihren eigenen Inzest, ein ekelerregendes Zuchtprogramm, das nur so nach „Lebensborn“ und „Apartheid“ schreit. Die dezente Kapitalismuskritik, die in der totalen Verdinglichung der Menschen in der Kommerzialisierung des Wassers (Aqua-Cola) aufklingt, wird total von ethnisch-rassischen Imperativen kassiert. Die Masse der Armen hingegen, die im Wüstenmeer die Zitadelle belagert, ist getreu dem Smarties-Dogma multi-ethnisch und daher „normal“ und gut. Sie wird vom weißen, heterosexuellen Geisteskranken, von den sich hebenden Plattformen in den Dreck getreten, wie die „Flüchtlinge“ vor den Mauern der Festung Europa/Australien – das ist die offensichtlich intendierte Bildersprache. Am Ende, nach Stunden an zugegeben unterhaltsamer Action, wird der Führer der Weißen naturgemäß auch getötet und die Heerscharen des Bodensatzes strömen auf den Berg, die „Zitatdelle“. Die entsetzte weiße Dekadenz kann nur noch zusehen…
Genau dasselbe Bild der „Öffnung“, der aufgebrochenen Paradiestore, evozierte ein anderer Sci-Fi-Streifen Namens Elysium. Hier ist es eine futuristische Raumstation, die von der weiß-heteronormativen Oberschicht bewohnt wird, auf der man Krebs heilen, sich von Robotern bedienen und seiner Muße nachgehen kann. In einer multikulturellen, ökologischen Hölle, doch moralisch im Recht, leben die Massen, die sich auch am Ende dieses Streifens, befehligt von einem befreiungstheologischen Sozialrevolutionär, in die Raumstation ergießen.
In beiden Filmen ist es ein Europäer, ein Weißer, der die Tore aufsprengt und sich, väterlich und heroisch für die armen, entmenschten Heerscharen opfert, die scheinbar von selbst und aus sich selbst nichts zustande bringen. Das ist nichts anders als ein Psychogramm des weißen Mannes und seines Universalismus der Schuld. Er sieht seine historische Rolle in einer paternalistischen Emanzipation und „Befreiung“ aller Völker der Welt, für die er sich gegen seinesgleichen richten, sich selbst zerstören muss. Er ist wie der „kleine Gott Europas“, den Raspail im Heerlager der Heiligen beschreibt.
Die „Anderen“, die amorphe Masse der Bereicherer und „refugees“, hat gar keine eigene Rolle, keinen eigenen Charakter, kein eigenes Schicksal. Sie ist eine Projektionsfläche, die, je ärmer, kranker und missratener, desto besser, nur eine vorgeformte Rolle erfüllen soll. Sie ist das Chaos, die Katastrophe, die die gelangweilte und sich selbst hassende Gesellschaft des Westens seit Jahrzehnten herbeisehnt. Sie ist die „Zombie-Apokalypse“, die sich bereits als Meme und Platzhalter für alle Ausbruchsfantasien aus dem politisch-korrekten, kapitalistischen Hamsterrad gemausert hat. In diesen Filmen wird der Untergang und die Überflutung wie eine Erlösung beschworen. Sie plaudern in ihren ergreifenden Endszenen das aus, was die Sozialtechniker von Multikulti in ihrem Geplänkel über die „Chancen“ der Einwanderung verschweigen. Es ist unser Untergang.
Gehen wir kurz auf die Beispiele in den Filmen ein. Beide verkörpern eine extreme Spaltung einer „Menschheit“ in arm und reich, die nicht-europäisch und europäisch entspricht. In beiden Filmen wird aber überhaupt nicht hinterfragt, warum diese Spaltung, woher die Knappheit der Ressourcen kommt. Ist es „Menschenfeindlichkeit“, die hinter den exklusiven Strategien der Elite in Mad Max und Elysium liegt? Was passiert nach den Endszenen? Was passiert, wenn die entmenschten Massen das technische Paradies gestürmt haben? Reißen sie es nicht mit sich ins Chaos? Zerstören sie nicht sich und all seine Möglichkeiten in ihrer Sturzflut?
Wäre eine wahre Erlösung nicht ein Ausgleich, eine Verbesserung der Bedingungen „da unten“, der Bau mehrerer „Raumstationen“ oder „Zitadellen“? Ja, wäre nicht eine echte Analyse der Lage — der Knappheit, der Spaltung, der Vermassung, der Technik — eine Frage nach dem „Warum“ der Apokalypse, die eigentliche Erlösung? Diese Perspektive taucht in den Filmen genauso wenig auf, wie heute in Europa. In einem dichotomischen Schwarz-Weiß-Denken wird eine ausbeuterische, blutsaugende Kolonial-Ideologie, die alle Reichtümer der Erde in Europa sammelt und den Rest der Welt aussperrt, der totalen Überflutung Europas mit den Verdammten dieser Erde gegenübergestellt. Tertium non datur. Am Ende ergießt sich die Flut wie eine Erlösung über die faulige Dekadenz.
Man kann diese tiefe, lüsterne, sadomasochistische Sehnsucht unserer intellektuellen Eliten nicht leugnen. Im Gerede von der „Energie“ (Gauck), der „Virilität“ der „jungen Männer“, die zu uns kommen und die wir „bräuchten“, blitzt sie in ihrer ganzen Perversion auf und konterkariert das Reden von den „armen, hilfebedürftigen“ „Refugees“. Es ist das „Weltgewissen“, von dem Raspail schreibt, die uralte universalistische Metaerzählung, die wie ein Implantat im geistigen Mark des Europäers sitzt und ihm von heiliger Rache, Hass und Erlösung zuraunt.
Es ist die Sehnsucht der Ortlosigkeit der Utopie, der Endlosigkeit und Zeitlosigkeit, die das naheliegende, gesunde, wahrhaft menschliche, die Verwindung des Wachstumswahnsinns, der Menschheitsutopie, der technischen Beherrschung der Welt und des Fortschritts unterbindet. Alles oder nichts. Wille zur Macht oder Wille zum Nichts. Herrenmensch oder Untermensch. Unendlichkeit und Ende der Geschichte oder Ende der eigenen Geschichte. In einem fiebrigen, apokalyptischen Wahn steuert Europas Universalismus immer schon auf den Nihilismus und die Selbstzerstörung, das Zerbrechen an einer unerfüllbaren Forderung, das Verzweifeln an einer unbeantwortbaren Frage zu. All das blitzt mir hasserfüllt und hämisch aus einem Hollywood-Blockbuster entgegen. Kein Wunder, dass ich so selten ins Kino gehe.
Der leere Thron Gottes
Die dritte Szene spielt sich in einem Uni-Seminar ab. Soziologie, Politwissenschaften, Philosophie – völlig egal. Die Geisteswissenschaften gleichen sich heute wie ein Fäkal-Theaterstück dem anderen. Durchzogen von einer postmodernen, elegischen Gleichgültigkeit, einer heiteren Aufgeräumtheit, einem ironisch gebrochenen „anything goes“. Keine Kanten, keine Ecken, die Diskurse funktionieren. Der Wille zum Wissen und die Wahrhaftigkeit ist in analytisch-logischem Bienenfleiß kanalisiert oder sucht sich eine andere zahnlos-akademische Nische. Ein Sonderling toleriert den anderen, alles ist unglaublich „interessant“, zumindest „für mich“. Wie Lenins syphilitisches Gehirn, so schmilzt der geballte Geist und Wille Europas zusammen in eine breiige Masse aus tausenden freien Radikalen. Ihre „Gefechte“ und Diskurse, ihre geistigen Bocksprünge und Radschläge sind gesamt gesehen eine brownsche Teilchenbewegung: unregelmäßig, ruckartig, folgenlos.
Die Kommilitonen erzählen von „persönlichen Leseerfahrungen“, der Professor nimmt an einem poetry slam teil, jedes Thema ist für die Semianararbeit erlaubt, Hauptsache Seitenanzahl und Quellenverweise sind korrekt. Die Geisteswissenschaften, der ganze Geist Europas, taumelt um den leeren Thron des toten Gottes. Er hieß Wahrheit, System, Endziel und profaner: Weltrepublik, Aufklärung, Zivilisation. Auf den leeren Altären ziehen die Dämonen ein. Der leere Thron ist beherrscht vom Geist des Bösen. Er befiehlt die Selbstzerstörung. Der ganze taumelnde Tanz um den Thron steht nicht auf der Stelle. Er beschreibt in seinem Weg durch die Zeit, im Stillstand der eigenen Zeitlosigkeit einen Vektor der in den Abgrund führt. Die offenen Tore, die Flut, das „Andere“, das uns durchdringt, besetzt und von der Qual erlöst, wir selbst sein zu müssen.
Am Rande dieses trail of tears wachen in tragischem Stolz die asketischen Heiligen des Schuldkults, die jeden dritten Weg, jeden Ausgleich, jede Versöhnung mit kalter Miene verbieten. No border oder weißer Übermensch, Multikulti oder Nazi. Entweder im Lager der Guten, die sich im Namen des Weltgewissens selbst von der Erde tilgen und mit ihrer Asche fremde Felder düngen – oder im finstren Reich der Nazis. Und es gibt genug „wandelnde Holocaustdenkmäler“ (so bezeichnete ein Moderator in einem lucidum intervallum die Neonazis), die ihnen ihre Sicht bestätigen.
Es ist der Wahnsinn, das „Dämonische“, wie es Gianni Vattimo nennt, das eine unmittelbare Präsenz des Seins, eine totale festgestellte Wahrheit fordert. Diese Forderung wird angesichts der Vielfalt der Welt zur Rasiermaschine, zur Kettensäge, die alles wegschneiden, abschneiden und vernichten muss, was auf die eigene Begrenztheit verweist. Der Hass auf den „weißen Übermann“, die völlige „Ethnisierung“ der derzeitigen Weltlage und Ungerechtigkeit, die neben den oben analysierten Filmen auch in allen jüngeren Tarantino-Streifen rituell beschworen und geläutert wurde, nährt sich vom selben Hass, der Auschwitz ermöglichte.
Es ist ein ritueller, kultischer, von Vernichtung und Zerstörung geprägter, fiebriger unversöhnlicher Blick auf die Welt. Es ist der „Grimm“, das „Grimmige“, der Geist der Rache, der sich nur allzu oft im Berechnenden, Neutralen versteckt. Statt eine echte Analyse der Katastrophe, in der sich die Welt befindet, statt einem echten Verständnis des Gestells und seiner inneren Wahrheit, wird es im „weißen Mann“ im „dwem“ „biologisiert“ und „sexualisiert“, wie damals die Entzauberung und Moderne im Juden. Die „Endlösung“, die im NS in der Vernichtung des „jüdischen Bazillus“ bestand, besteht im Universalismus der Schuld in der Durchdringung, Zerstörung, Zerstreuung der „white Race“ (Noel Ignatiev).
Deutschland muss von außen eingehegt und innen durch Zustrom heterogenisiert, quasi ‚verdünnt’ werden“.
Joschka Fischer
Dass diese „Vernichtung“ nicht nur als Zerstörung eines „sozialen Konstrukts“ gedacht, dass die Masseneinwanderung nach Europa insgeheim als Zerstörung und sadomasochistische Vergewaltigung erkannt wird, verraten am Ende die eindeutigen Bilder aus der Popkultur, vor allem in Tarantinos erwähnten Filmen. Darf man gewissen Kreisen eine geheime Lust an den mulitkulturellen Vergewaltigungen in Rotherham und Schweden, in denen symbolisch „Rache am Hochmut Europas“ genommen wird, unterstellen, wie sie der junge Mann bei Raspail offen ausspricht? Die Genugtuung der Rache, das „Bomber Harris do it again“, die Blutlachen und Massenvergewaltigung an Deutschen, an denen Adorno sich in seinen privaten Briefen ergötzt – das alles ist noch tief in den Geist der Moderne verstrickt.
Deren Lösung liegt nicht in einem Versuch des echten Verständnis der Lage, in einer Erkenntnis eines Verhängniszusammenhangs, in der Suche nach Auswegen. Sie ist die Flucht in den Abgrund in einer binären Logik, in der es nur Fortschritt und Rückschritt auf der linearen Bahn des hegelianischen Weltgeistes gibt. Hinter uns Hitler, vor uns Multikulti – entscheide dich für den „Progress“ oder die „Reaktion“- das ist heute der knappe, neue „Fragebogen“ des freiesten deutschen Staates und aller anderen europäischen Staaten.
Es ist die Flamme eines Hasses, einer schwärenden Wunde, einer Sucht nach Schuld und Schuldigen, nach Rache und Opfer, die heute, nachdem sie eine missionarisch-imperialistische Blutspur durch die Geschichte gezogen hat, sich gegen seinen Träger selbst, gegen Europa richtet.
Wir leben immer schon in der Vor-Apokalypse, im Schatten dieses Hasses, sind von ihm durchdrungen als seine Täter oder seine Opfer. Seine Unsichtbarkeit ist Beweis für den allgemeinen tiefen Glauben, über den unsere Völker ihm verbunden sind. Er steht zwischen uns und unsere eigentlichen Identität. Wir sind uns eigentlich selbst das „ganz Andere“ geworden. Wir haben mit den universalistischen Charaktermasken, mit dem Ende der Moderne und ihrer Metaerzählung alle Rollenbilder verloren. Der Sextourist, der sich im Ficken oder Gefickt-werden, einer „exotischen“ originären Männer- oder Frauenrolle, seine eigene sexuelle Identität zurückkaufen will, ist der Archetyp des westlichen Menschen. Dank der linksgrünen „Lobbyarbeit“ kann er sich vielleicht auch bald als Pädophiler seine eigene verlorene Kindheit zurückficken.
Die einzige Hoffnung, die in diesem Spektakel des Wahnsinns, das umso unerträglicher wird, als es sich nur wenigen plastisch zeigt, bleibt, ist die Tatsache dieses Hasses. Die Bilder der ersehnten Überflutung und Vergewaltigung, die seltsame Heilserwartung, die, wie nach dem Skript Raspails, die „refugees welcome“-Bewegung längst befallen hat. Der psychopathologische Missbrauch des Flüchtlings, der sich gar nicht für das Elend, das ihn zur Flucht bewegt und dessen globale Ursachen interessiert, sondern ihn als Spielzeug der eigenen Vernichtung importiert, ist für jeden, der Augen hat, sichtbar.
Wie die Christen in der Arena warten sie auf die Bestien, die sie zerfleischen. Doch diesmal hat man sich selbst „gefesselt“, mit irren Regulationen handlungsunfähig gemacht, selbst die Gefahr ins Land geholt. Und – diesmal ist man ohne Hoffnung auf ein Nachleben, sehnsüchtig, trotzig, voller Hass und Verzweiflung. In dieser Verzweiflung lebt aber noch eine gewisse Energie, die einzigartig ist. Es lebt und waltet noch ein Geist in Europa. Seine Gewalt ist überall spürbar. Als ethnomasochistische Grenze im Kopf, als hasserfülltes Outing der Antifa, als moralinsaure Hetzkampagne und Existenzvernichtung durch die Moralmafia. Jedes „Deutschland muss sterben“ kündet aus berufenen Mund wie eine Epiphanie die Anwesenheit einer geheimnisvollen Kraft, die sich allen geschichtsphilosophischen Strukturanalysen entzieht. Es lebt, gerade im heiligen Ernst der Antifa, der seinen verkrampften Fanatismus nicht verbergen kann, auch wenn er noch so lässig „gegen Deutschland“ raven will, eine Tiefe, in der etwas wurzeln könnte.
Es ist kein Zufall, dass der Weltgeist als Geist des Bösen gerade in Deutschland, dem Land von Freud, Marx und Nietzsche, Hegel, Hitler und Heidegger am unverdecktesten aus den “bleichen Masken” schaut. Wie ein gefallener fiebernder Erzengel, seine Flügel sind mit Kot befleckt, von seinen Lidern tropfen Würmer. Er ist bespuckt, vom Hass zerfressen, aber von einem Geist beseelt. Dieser Geist wartet auf eine Erlösung, auf eine Ausweg und einen Ausbruch aus seiner selbstgeschaffenen Dichotomie. Er wird, wenn er ihn nicht findet, über sich selbst herfallen, versunken im sanften Saitenspiel seines Wahnsinns, zerschunden und selbstzerfleischt wie ein Adler in der Legebatterie im Kreisgang zugrunde gehen. Er kann diesen Ausweg nur erkennen, wenn er zwischen der falschen Dichotomie von Objekt und Subjekt, Faschismus und Fortschritt, Wahrheit und Beliebigkeit, Rassismus und Multikulti, Ausbeutung und No-Border, Gleichheit und Ungleichwertigkeit das „tertium datur“ erfährt. Dieses ist aber nur erfahrbar, wenn man das „datur“ das „es gibt“, wirklich versteht. Was uns und das rechte Lager unweigerlich auf die Überwindung des Stilfaschismus verweist.
Doch dieser Text, der wie gesagt ein „Sich Luft machen“, ein „rant“ ist. wird sich vor diesem Thema hüten. Wie jede „Anti-Haltung“ vom kritisierten „Geist der Rache“ nicht ganz frei, wird er stattdessen, mit einer makaberen Genugtuung, mit dem zweiten Teil der Stelle aus dem „Heerlager der Heiligen fortfahren und abschließen:
»Ich? Weil ich dies alles hasse. Weil das Weltgewissen verlangt, daß man dies alles haßt. Hauen Sie ab! Ich pfeife auf Sie!«
Der alte Herr ging ins Haus, kam aber gleich wieder zurück mit einem Gewehr in der Hand. »Was machen Sie da?« fragte der junge Mann.
»Ich werde Sie wohl töten. Meine Welt wird vielleicht nach morgen früh nicht mehr leben, daher habe ich die Absicht, die letzten Minuten noch voll auszunutzen. Ich werde in dieser Nacht, ohne mich vom Fleck zu rühren, ein zweites Leben führen, und ich glaube, daß es noch schöner als das erste sein wird. Da meinesgleichen abgereist ist, will ich es allein erleben.«
»Und ich?«
»Sie sind nicht meinesgleichen. Sie sind mein Gegner. Ich will diese kostbare Nacht nicht in Gesellschaft meines Gegners vergeuden. Daher werde ich Sie töten.«
»Sie können das nicht. Ich bin sicher, daß Sie noch nie jemand getötet haben.«
»Das ist wahr. Ich habe immer das friedliche Leben eines Literaturprofessors geführt, der seinen Beruf liebte. Im Krieg brauchte man mich nicht, und die offenbar unnütze Töterei bedrückt mich auch physisch. Ich wäre wahrscheinlich ein schlechter Soldat gewesen. Dennoch glaube ich, daß ich mit Actius zusammen fröhlich einen Hunnen getötet hätte. Und mit Karl Martell arabisches Fleisch zu durchlöchern hätte mich sehr begeistert, ebenso mit Gottfried von Bouillon oder mit Balduin dem Aussätzigen. Unter den Mauern von Byzanz tot an der Seite von Konstantin Dragasès, mein Gott! Wieviel Türken hätte ich noch umgebracht, bevor ich selbst dran gewesen wäre. Glücklicherweise sterben Menschen, die den Zweifel nicht kennen, nicht so leicht. Nachdem ich wiederauferstanden war, habe ich gemeinsam mit Teutonen Slawen erschlagen. Ich trug das Kreuz auf meinem weißen Mantel und verließ mit dem blutigen Schwert in der Hand zusammen mit der vorbildlichen kleinen Truppe des Villiers de l‘Isle-Adam die Insel Rhodos. Als Matrose Johanns von Österreich habe ich mich in Lepanto gerächt. Eine schöne Schlachterei! Dann hat man mich nicht mehr verwendet. Nur ein paar Lappalien, die langsam schlecht beurteilt werden. Alles wird so häßlich. Es gibt keine Fanfaren, keine Standarten und kein Te Deum mehr. Natürlich habe ich niemand getötet. Aber alle diese Schlachten, mit denen ich mich solidarisch fühle, erlebe ich jetzt mit einem Schlag, und mit einem einzigen Schuß bin ich die Hauptperson. Da ist er!«
Der junge Mann brach graziös zusammen, glitt am Geländer, an das er sich angelehnt hatte, hinunter und saß schließlich mit hängenden Armen auf seinen Fersen, in einer Stellung, die für ihn üblich war. Der rote Fleck auf seiner linken Brustseite wurde etwas größer, hörte aber dann rasch auf zu bluten. Er starb ganz ordentlich. Ein Sieg nach Art des Abendlandes, so endgültig wie nutzlos und lächerlich. Im Frieden mit sich selbst wandte der alte Herr Calguès dem Toten den Rücken zu und kehrte in das Haus zurück.“