Linke Theorie für Identitäre | Louis Althusser, Ideologie und Ideologische Staatsapparate — Teil 3
Im vorhergehenden Teil haben wir die Ideologischen Staatsapparate betrachtet. Wichtig ist, zu erinnern, dass Althusser zwischen dem repressiven Staatsapparat (Regierung, Verwaltung, Polizei, Justizvollzug fast vollständig öffentlich) und den Ideologischen Staatsapparaten (Erziehungs- und Bildungssystem, Familie, politisches System, Kirchen, Interessenverbände, Medien, etc. öffentlich und privat) trennt. Beide, repressiver Staatsapparat und ISA, bilden Teile des gesellschaftlichen Überbaus, der zwar einen erheblichen Einfluss auf die ökonomische Basis nehmen kann, jedoch letztlich von jener determiniert wird. Das bedeutet im Klartext, dass für den Marxisten Althusser trotz aller Komplexität moderner Gesellschaften der Klassenkonflikt zwischen den Bourgeoisiefraktionen, den Mittelschichten und der Arbeiterklasse der geschichtlich wirkmächtige Faktor ist, von dem alles andere sich ableitet. Ist die Bourgeoisie historisch stark, drückt sich dies in ihrer ideologischen Macht in den ISA aus. Hingegen können sowohl ehemals herrschende Klassen – beispielsweise der Landadel bis tief ins 19. Jahrhundert – oder auch aktuell beherrschte Klassen (das Proletariat) „Kampfpositionen“ in den ISA erobern. Darunter würde nach Althussers Bild ein Arbeitersohn zählen, der den Aufstieg in den Lehrberuf geschafft hat und nun als Lehrer anderen Arbeiterkindern hilft. Als herrschenden ISA seiner Zeit (1970) und der gesamten kapitalistischen Moderne betrachtet Althusser folgerichtig den schulischen (Bildungs-) ISA, der den kirchlichen abgelöst habe.
Für uns als Identitäre kann zunächst egal sein, ob und inwiefern Althussers Analyse für seine Zeit zutrifft. Es ist evident, dass in der Moderne die gesellschaftliche Macht vom Adel auf das Bürgertum übergegangen ist, und es darf als ebenso evident gelten, dass der Nationalreichtum Frankreichs oder Englands wesentlich auf der Nutzung der technisch-rationalisierten Arbeitskraft der französischen und englischen Arbeiter fußte, sowie in nicht unwesentlichem Maße auf dem natürlichen Reichtum der Kolonien. Ob man diese Gemengelage nun als Klassenkampf und, weiter noch, jenen als ausschlaggebendes historisches Moment deuten will, sei dahingestellt; diese Deutung hängt bei den Marxisten an einer bestimmten historischen Synthese aus Linkshegelianismus, französischem Utopiedenken und englischer Arbeiterbewegung. Ungeachtet dessen lässt sich der aktuelle Konflikt zwischen Globalisten und Volk als Klassenkampf zwischen internationalem Kapital, politisch-medialen Eliten und mobiler Mittelschicht auf der einen und nationalem Kapital, lokaler Mittelschicht, Arbeitern und Angestellten auf der anderen Seite darstellen. Die große Stärke dieser Betrachtung – die Reduktion der Gemengelage auf ihre ökonomische Dimension – stellt zugleich ihre größte Schwäche dar: Indem wir, wie Althusser und die Marxisten, von der ethnokulturellen Identität abstrahieren, verschwinden die Grenzen zwischen der autochthonen Bevölkerung und der zugezogenen. Da letztere jedoch einen nicht unwesentlichen Teil der unteren Klassen darstellt, muss ihre Rolle an anderer Stelle gesondert betrachtet werden. Die Einschätzung jedoch, dass die Ersetzungsmigration auf jeden Fall als Waffe der Globalisten im Kampf gegen die Völker dient, darf unter Identitären vorausgesetzt werden.
Mit dieser Problembestimmung sind wir auch schon einen großen Schritt näher auf unser Thema in diesem dritten Teil der Althusser-Reihe gelangt. Die Frage, warum der Marxist ohne Weiteres von der ethnokulturellen Identität der Menschen abstrahieren und sie rein nach ihren ökonomischen Klassenlagen betrachten kann, weiß jeder von uns mit „Universalismus“ zu beantworten. Die historische Genese und logische Struktur dieses Universalismus einmal außen vor gelassen, können wir auch schnell und unschwer erkennen, dass es sich dabei um die Essenz der Global-Ideologien handelt, streben diese nun die klassenlose Weltgesellschaft oder die weltweite Durchsetzung demokratischer Marktgesellschaften an. Zuletzt können wir auf Basis des Erarbeiteten feststellen, dass die Behauptung der grundsätzlichen Wesensgleichheit und also Austauschbarkeit aller Menschen die adäquate Ideologie der herrschenden globalistischen Klasse(n) darstellt, und dass ihre Hegemonie in den ISA ein Indikator für die Stärke jener spätestens seit 1990 im Aufstieg befindlichen Klasse ist, sowie für die Schwäche der nationalen Klassen bzw. des Volkes.
Aus dieser Perspektive erscheint uns Ideologie nicht mehr wie eine Idee, auf die man eben von selbst oder durch Fremdeinfluss gekommen ist, sondern vielmehr wie ein Werkzeug bzw. eine Waffe zur Etablierung und Aufrechterhaltung der Herrschaft einer bestimmten Klasse und zur Unterdrückung einer anderen. Damit schließen wir zu Althusser auf:
III — Ideologie
Definition
Althusser definiert Ideologie fundamental als „das System von Ideen und Vorstellungen, das den Geist eines Menschen oder einer gesellschaftlichen Gruppe beherrscht“, welche „in letzter Instanz auf der Geschichte der Gesellschaftsformationen, also den in den Gesellschaftsformationen kombinierten Produktionsweisen und den sich darin entwickelnden Klassenkämpfen beruht.“ (S. 71f.) Die spezifischen Ideologien haben jeweils ihre eigenen Geschichten; als Beispiel kann der um die Jahrhundertwende verbreitete Sozialdarwinismus ganz einfach als Folge des biologischen Darwinismus und dessen Nutzbarmachung zur Rechtfertigung der Herrschaft einiger Weniger über die breiten Massen gedeutet werden.
Im Gegensatz zu dieser Geschichte einzelner Ideologien hat die Ideologie im Allgemeinen jedoch für Althusser „keine Geschichte“. Damit knüpft er an die psychoanalytische Theorie an, derzufolge das Unbewusste keine Geschichte habe, also an sich strukturell immer gleich bleibe und nur anders symbolisch ausgefüllt würde. So wie das Unbewusste – wie sich etwa in der Traumdeutung zeige – „allgegenwärtig und transhistorisch ist“ (S. 74), ist auch die Ideologie an sich, unabhängig von ihren jeweiligen Inhalten und deren Logik und Geschichte (etwa dem oben angeführten Sozialdarwinismus), strukturell immer gleich. Diese behauptete ewige (zumindest für die Geschichte der Klassengesellschaften geltende) Struktur der Ideologie fasst Althusser in drei Thesen zusammen:
Struktur
1. „Die Ideologie repräsentiert das imaginäre Verhältnis der Individuen zu ihren realen Existenzbedingungen“ (S. 75).
Mit dieser ersten These nimmt Althusser Bezug auf Marx‘ Ideologienlehre. Marx verstand die Ideologien (zu denen er, wie Althusser, auch die Religionen rechnete) als notwendig falsches Bewusstsein von den Verhältnissen. Die feudale Klassengesellschaft und ihre Unterdrückung der leibeigenen Bauern durch Adel und Klerus stelle sich demnach für die Beteiligten als göttlich gefügte Ordnung mit Adel und Klerus an ihrer Spitze dar. Althusser widerspricht Marx in einem entscheidenden Punkt, nennt dessen Ideologienlehre gar „unmarxistisch“: Nicht die gesellschaftlichen Verhältnisse stellen sich laut ihm in der Ideologie für das Subjekt falsch dar, sondern dessen eigenes Verhältnis zu den gesellschaftlichen Verhältnissen. Anders formuliert könnte man auch fragen, wie der einzelne leibeigene Bauer bitte eine allgemeine Erfahrung der gesamten gesellschaftlichen Verhältnisse hätte machen können, welche sich ihm dann falsch darstellten. Selbstverständlich erlebt er als individuelles Subjekt nicht die Feudalgesellschaft, sondern vor allem seine Position in der Feudalgesellschaft; er nimmt also nicht seine realen Existenzbedingungen wahr, sondern sein Verhältnis zu seinen realen Existenzbedingungen. Dieses sein Verhältnis – sprich: seine eigene Position als Leibeigener – stellt sich ihm nun verkehrt, da ideologisch, dar: Er ist von Gott zum Dienen und Harren geschaffen worden. Hingegen stellt sich dem Feudalherren dessen eigenes Verhältnis zur Feudalgesellschaft selbstverständlich als Herrenmoral dar: Er ist zum Herrschen und Kämpfen geschaffen. Dieselbe Ideologie ist in der Lage, zwei unterschiedlichen Individuen ihre gesellschaftliche Stellung jeweils imaginär zu repräsentieren.
2. „Die Ideologie hat eine materielle Existenz“ (S. 79).
Im Abschnitt zu den ISA hat Althusser bereits angeschnitten, dass diese ihre jeweilige Funktion, nämlich die ideologische Unterwerfung der beherrschten Klasse durch die herrschende, durch eine Reihe von Ritualen und Praktiken vollziehen. „Wir greifen diese These hier wieder auf: Eine Ideologie existiert immer in einem Apparat und in dessen Praxis oder dessen Praktiken. Diese Existenz ist materiell.“ (S. 80) Frei nach dem Motto ‚Knie nieder, bete, und du wirst glauben!‘ skizziert Althusser:
Wenn [ein Subjekt] an Gott glaubt, geht es in die Kirche, um der Messe beizuwohnen, es kniet nieder, es betet, es beichtet, es tut Buße und selbstverständlich bereut es und macht dann weiter usw. Wenn es an die Pflicht glaubt, wird es ein entsprechendes Verhalten an den Tag legen, das in bestimmte rituelle Praktiken eingebettet ist, welche ‚mit den guten Sitten übereinstimmen‘. Wenn es an die Gerechtigkeit glaubt, wird es sich den Regeln des Rechts ohne Widerrede unterwerfen und womöglich sogar protestieren, wenn diese verletzt werden, und Petitionen unterschreiben, an einer Demonstration teilnehmen usw. (S. 81)
Die Ideologien gewinnen ihre Existenz also erst mit und durch gewisse Taten, die von gewissen Institutionen (Ideologischen Staatsapparaten) rituell kodifiziert werden. Will man beispielsweise einer Generation von Schülern gewisses Geschichtsbild einprägen, reicht es nicht, ihnen ein einziges mal jenes Bild zu erklären: Stattdessen muss man, um ein einzelnes Thema zum sinnstiftenden und zentralen Element der Geschichtsideologie zu machen, dieses Thema rituell immer wieder Besprechen, Videos dazu anschauen, Texte dazu lesen, bestimmte Orte des geschichtlichen Gedenkens aufsuchen, usw. usw. Würde man dies einige Jahre lang mit angehenden Abiturienten zum Thema „Bismarcks Größe“ machen, würde man eine Generation ergebener Kaiserreichsanhänger heranziehen; macht man dies einige Jahre lang mit einem anderen Thema, erzeugt man ergebene Anhänger einer anderen Ideologie. Ein anderes Beispiel sind Antirassismus- oder Antisexismus-Workshops. Es reicht nicht aus, einer Belegschaft einmal zu erklären, dass sie Rassisten und Sexisten sind und ihre Privilegien reflektieren sollen. Stattdessen muss man, um ihnen die Antirassismus- und Antisexismus-Ideologien einzuprägen, regelmäßige Reflektionsrunden, Rollenspiele, etc. abhalten, an denen alle teilnehmen müssen:
Wir werden also sagen, indem wir nur ein Subjekt (ein ganz beliebiges Individuum) betrachten, dass die Existenz der Ideen seines Glaubens selbst materiell ist, insofern seine Ideen seine materiellen Taten sind, welche in materielle Praktiken eingebettet und durch materielle Rituale geregelt sind, die ihrerseits wiederum durch den materiellen ideologischen Apparat definiert werden, zu dem die Ideen dieses Subjekts gehören. […] Die Ideen sind als solche verschwunden (insofern sie mit einer idealen, geistigen Existenz versehen sind), und zwar in genau dem Maße, wie es klar hervorgetreten ist, dass ihre Existenz in die Taten der durch Rituale geregelten Praktiken eingebettet ist, wie sie in letzter Instanz durch einen ideologischen Apparat definiert werden. (S. 83)
Diese Betrachtung ist ungeheuer zynisch, möchte man als Leser einwenden, dem seine Religion am Herzen liegt. Doch wie in Bezug auf Volk und Familie können wir sagen: Althusser verkennt in seinem Universalismus zwar die reale, geschichtswirksame, vorideologische Wahrheit der anthropologischen Konstanten Volk, Familie und Glaube. Für die moderne Gesellschaft hingegen trifft das, was er als „allgegenwärtig und transhistorisch“ begreift, jedoch absolut zu: So wie die Familie zur postheterosexuellen Reproduktionsstätte für Steuerzahler und Konsumenten umdefiniert wird und das Volk allenfalls noch als Sammelbezeichnung für die Gesamtheit der Staatsbürger dient, mit der man sich höchstens zur Fußbal-WM identifizieren und ihre Trikots kaufen soll, so können auch die Römisch-Katholische Kirche und die Evangelischen Kirchen in Deutschland einwandfrei zu den Propagandazentren der globalistischen Ideologie gerechnet werden. Der praktizierte Glaube – die Teilhabe an den Ritualen und Bekenntnissen dieser Institutionen – dient de facto der Absegnung der eigenen Ersetzung.
3. „Die Ideologie ruft die Individuen als Subjekte an“ (S. 84).
Althusser wird esoterisch und kommt zugleich der Wahrheit näher als je zuvor: Er spaltet den Menschen ideell in ein real existierendes Individuum und ein ideologisch formiertes Subjekt, das von diesem Individuum getragen wird. Die Ideologie macht aus dem konkreten Individuum ein Subjekt, indem sie es durch direkte Anrufung (der Polizist ruft: „Sie da! Stehengeblieben“ – Ich bleibe stehen und bestätige meine Rolle als Befehlsempfänger) unterwirft. Wir erinnern uns an das Sinnbild aus dem ersten Artikel dieser Reihe, von den semiautonomen „Untereinheiten“ der automatisierten Produktionsstraße, auf denen „Konsensprogramme“ laufen und finden in der Hardware-Software-Dialektik die technische Analogie zu Althussers Individuum-Subjekt-Dialektik. Weiterhin erkennen wir – womit wir Althusser einen bedeutenden Schritt voraus sind – dass die „Individuen“, die von der Ideologie qua Anrufung zu Subjekten (lat. die Daruntergeworfenen, d.h. die Unterworfenen) werden, an sich die konkret existierenden Menschen mit bestimmter vorideologischer Identität sind. Wo diese vorideologische Identität des Individuums aufhört und die ideologische Subjektivierung anhört – letztlich, bis zu welchem Grade Volkszugehörigkeit, Geschlecht, etc. essentiell sind – müssen wir nicht abschließend beantworten können, um festzustellen, dass sie bis zu einem gewissen Grade essentiell sind.
Für Althusser hingegen sind sie überhaupt nicht essentiell, sein Universalismus enttarnt sich: Die konkreten Individuen, die zu Subjekten formiert werden, sind für ihn rein abstrakte Wesen – Mensch und sonst nichts – denen Geschlecht, Familienzugehörigkeit, Name (!), Nationalität, Religionszugehörigkeit etc. erst in Akten ideologischer Subjektivierung – der Althusserschüler Foucault sagte später: durch den Diskurs – aufgeprägt werden. Es gibt kein natürliches Substrat außer dem abstrakten Menschsein, es gibt keine vorpolitische und vorideologische Kultur, als welche etwa die anthropologisch-konstante Tatsache gelten könnte, dass Menschen Namen tragen und in Familienverhältnissen leben. All dies ist für Althusser Produkt des Klassenkampfes und also Ausdruck von Herrschaft. An dieser Stelle endlich haben wir das Rätsel gelüftet, wie die postmodernen Identitätspolitiken sich direkt aus dem klassischen Marxismus ableiten, was auch wir als Nutznießer der marxistischen Theoriebildung eingestehen müssen: Um den Marxismus vor seiner intellektuellen Niederlage zu retten, muss Althusser am weitesten in dessen Auslegung gehen und den Menschen zum absoluten blank slate und vorpolitischen Gattungswesen zu erklären, dessen jede konkrete Lebensäußerung ideologisch formiert und also Ausdruck des Klassenkampfes ist.
Dabei geht er bis zum Ende: Als Grundfunktionen der Ideologie beschreibt er „Wiedererkennung und Anerkennung“ auf der einen Seite und „Verkennung“ auf der anderen. Da alles Klassenkampf ist, ist auch jeder menschliche Bezug auf jeden anderen Menschen – und auf sich selbst – stets ein ideologischer Akt; unweigerlich kommt Althusser zu ganz absurden Schlüssen: „Um ein hochgradig ‚konkretes‘ Beispiel zu nehmen: Wir alle haben Freunde, die, wenn sie bei uns anklopfen und wir durch die geschlossene Tür fragen: ‚Wer ist da?‘, antworten (denn ‚das ist evident‘): ‚Ich bin es!‘ Und wir erkennen in der Tat wieder, dass ‚sie es ist‘ oder dass ‚er es ist‘. Wir öffnen die Tür und ‚es ist wahr, sie ist es wirklich, die da steht.‘“ (S. 86) Diese banalen alltäglichen Szenen, wie auch der Akt des Händeschüttelns unter Bekannten, sind „in Frankreich übliche materielle rituelle Praxis der ideologischen Wiedererkennung im Alltag; in anderen Ländern gibt es andere Rituale“ (S. 87). Ohne uns von Althussers Wahn weiter überrumpeln zu lassen, halten wir mental fest: Die Ideologie funktioniert durch Anrufung, Anerkennung, Wiedererkennung und Verkennung.
Sein ideologiekritischer Totalitarismus stellt Althusser währenddessen vor das Problem, dass auch die Niederschrift seines Buches und unser Akt des Lesens ideologische Akte sein müssen: Als Ausweg aus diesem Dilemma empfiehlt er den Versuch, einen ideologiefreien wissenschaftlichen Diskurs zu konstruieren. Da die zentrale Konstitutive der Ideologie das Subjekt ist, muss dieser Diskurs also subjektfrei sein. Wir sehen, wohin Althussers (und alle marxistische) Ideologiekritik uns führt: Anstatt zu unterscheiden zwischen wahr und falsch, zwischen ideologisch formierter und authentischer Identität, sollen wir alle Kategorien unserer Identität als ideologisch verneinen und uns auf den Standpunkt des Individuums darstellen, das aber für Althusser gar kein konkreter Mensch ist, sondern der abstrakte Mensch. Sein vorpolitischer bias schlägt also genau in dem höchsten Punkt seiner Erkenntnis durch: Wenn die innerste Funktionsweise der Ideologie offen vor uns liegt, sollen wir diese nicht vom diesseitigen Standpunkt des echten Menschen und seiner gewachsenen Identität abstreifen, sondern vom jenseitigen (nihilistischen) Standpunkt des allgemeinen Menschen aufheben.
Das SUBJEKT
Allerdings hat Althusser uns selbst schon die Schlüssel für die Tür zur Hand gegeben, durch die er nun nicht treten und sich stattdessen selbst verneinen will: Wir wissen nun, dass dieses allgemeine menschliche Individuum – dieser abstrakte Mensch ohne Herkunft und Geschlecht – das eigentliche Subjekt der Ideologie und somit das Subjekt der kapitalistischen Moderne und aller ihrer historischen Erscheinungsformen seit 1789 ist, welches historisch zuerst im „ältesten überlebenden Patriarchat“ (Adorno) erschien, sich durch ein ungeheures Opfer verallgemeinerte und heute die herrschende Klasse der gesamten Welt außer den sogenannten rogue states konstituiert.
Althusser selbst kann dies freilich nicht sehen: Geblendet von seinem Glauben an das Subjekt der Menschenrechte theoretisiert er weiter: Nun will er das Christentum als Urbild aller modernen Ideologien analysieren. Es fängt an mit der Anrufung: „Siehe, wer du bist, Du bist Pierre! Siehe, woher Du kommst: Du bist von Gott seit aller Ewigkeit geschaffen, auch wenn Du erst 1920 nach Christus geboren bist! Siehe, welches Dein Platz in der Welt ist! Siehe, was Du zu tun hast! Auf diesem Wege wirst Du, wenn Du das Gebot der ‚Nächstenliebe‘ befolgst, erlöst werden! Du, Pierre, wirst dann zum Glorreichen Leib Christi gehören!“ (S. 93) Auf die Anrufung folgt die Anerkennung der Ideologie durch das Subjekt: „Ja, ich bin es!“
Hierbei handelt es sich offenkundig um eine reziproke Beziehung: Das angerufene Subjekt hat seinerseits den Anrufer anerkannt, sich ihm unterworfen. Diesen Anrufer bezeichnet Althusser als das SUBJEKT; in der christlichen Religion ist es Gott. Das SUBJEKT ist zwar einerseits selbstbezüglich („Ich bin, der Ich bin“), aber andererseits und zugleich vollkommen auf seine Anerkennung durch die angerufenen Subjekte (auf ihren Glauben) angewiesen. Die Subjekte, die es anruft, sind jedoch in seinem Ebenbild geschaffen und bedürfen daher ebenso des SUBJEKTS, wie dieses ihrer:
Diese spiegelhafte Verdopplung ist für die Ideologie konstitutiv und sie gewährleistet zugleich ihr Funktionieren. Das bedeutet, dass jede Ideologie zentrierst ist, dass das Absolute Subjekt den einzigen Platz im Zentrum einnimmt und rund um sich herum die Individuen in ihrer unendlichen Zahl als Subjekte anruft. […] Die riesige Mehrzahl der Subjekte funktioniert tatsächlich ‚ganz von selber‘ [denn] sie fügen sich ein in die Praktiken, die von den Ritualen der ISAs beherrscht werden. […] Ihr konkretes materielles Verhalten ist nichts anderes als die lebendige Verkörperung des bewundernswürdigen Wortes ihres Gebetes [Amen!]: „So sei es!“. (S. 98)
Althusser beschreibt also eine Art NPC-Meme. Das Meme zeigt Menschen, die alle dasselbe Gesicht tragen, nämlich das Gesicht des NPC-SUBJEKTES, welches sie jeweils zu NPC-Subjekten macht. Jedes NPC-Subjekt hält sich für eine höchst individuelle Inkarnation des allgemeinen und wahrheitsstiftenden SUBJEKTS, und gerade darum denken und sagen sie alle dasselbe. Was das NPC-Meme jedoch nicht sichtbar macht, ist das SUBJEKT selbst, welches quasi als allgemeiner NPC über diesen schweben müsste. Das Meme ist folglich nicht in der Lage zu begreifen, was die eigentliche Erkenntnis Althussers ist, deren er sich jedoch selbst nicht bewusst wird: Nachdem er die Kirche ausführlich als den Proto-ISA beschrieben hatte, wählt er nun ausgerechnet das Christentum als allgemeingültiges Modell für seine Ideologienlehre. Dennoch sieht er nicht und will nicht sehen, welche Wahrheit er ausspricht: All moderne Ideologie – die Ideologie der Menschenrechte an sich – ist säkularisiertes Christentum.
Die Ideologien und die Menschenrechte
In diesem säkularisierten Christentum ist der Mensch an die Stelle Gottes (SUBJEKT) getreten, die entwurzelten Individuen an die Stelle der gottesebenbildlichen historischen Menschen (Subjekte), unter denen Gott als Christus leibhaftig erschien („spiegelhafte Verdoppelung“ von SUBJEKT und Subjekten); die ominösen Rechte des Menschen haben gleichsam anstelle des Heiligen Geistes das Band zwischen SUBJEKT und Subjekten übernommen:
Als aktuellste Ausprägung dieses Schemas kann der amerikanische Antirassismus gelten: Der freie und gleiche Mensch ist das höchste Wesen, die konkreten Menschen jedoch leiden unter ihrer reellen Unfreiheit und Ungleichheit, verursacht durch die Erbsünde der Diskriminierung. Einer unter ihnen erleidet den Opfertod (George Floyd) für besagte Erbsünde und symbolisiert fortan die Erscheinung des Menschen (SUBJEKT) und den konkreten Menschen (Subjekten). Die anderen Subjekte fangen an, seinen Tod rituell nachzuahmen; anstatt sich zu bekreuzigen, legen sie sich auf den Boden oder knien symbolisch auf seinem Nacken. Sie sind Mörder und Ermordete zugleich, haben ihren Antichristus getötet und sind gleichsam mit ihm den Erlösungstod gestorben.
Neue Ideologien befinden sich anfangs immer in einer quasi-religiösen Phase, in welcher sie das Christentum so offensichtlich nachahmen. Jedoch kann eine eingängliche Untersuchung auch in etablierten oder bereits ausgestorbenen Ideologien dieselbe Struktur nachweisen: Die klassische kommunistische Propaganda sprach die Proletarier (Subjekte) an, indem sie ihnen das PROLETARIAT entgegenstellte, diesen allgemeinen Menschentypus, der allein das schöpferische (d.h. das göttliche) Prinzip verkörperte. Überall dort, wo der Kommunismus die Herrschaft errang, erschien dann auch wie von selbst ein proletarischer Priesterkönig, der die Subjekte der kommunistischen Nationen vor dem welthistorischen PROLETARIAT vertrat, wie Christus als gleichzeitiger Gott und Mensch (SUBJEKT-Subjekt) die Menschen vor Gott. Insofern der Kommunismus jedoch seinem Weltherrschaftsanspruch nie gerecht werden, das PROLETARIAT niemals zum alleinigen Gott der Menschheit erheben konnte, blieb ein wesentlicher Aspekt dieser Ideologie stets in der manichäischen, vor-christlichen Phase befangen: Dem PROLETARIAT stand von Anfang an das KAPITAL als satanischer „Gott dieser Welt“ entgegen, welches den Gottesstaat, das Vaterland der Werktätigen, dann auch 1989ff. niederringen sollte.
Der Nationalsozialismus ging religionsgeschichtlich sogar noch einen Schritt weiter zurück und beanspruchte für seine Subjekte (die Deutschen bzw. „Arier“) den Anspruch eines auserwählten Volkes im alttestamentarischen Sinne. Als göttliches SUBJEKT diente in diesem säkularisierten Christentum „die Vorsehung“, als Mann Moses der sogenannte Führer. Während sich der NS somit in Bezug auf die eigenen Subjekte (die dt. Volksgenossen) als Christentum darstellte und gegen seine ideologischen Gegner (Kommunismus und Liberalismus) in einen manichäischen Krieg der Weltanschauungen trat, wollte er den Juden den Status des historischen Auserwähltseins entreißen und die osteuropäischen Völker im Sinne einer kanaanäischen Landnahme vertreiben. Ähnlich wie die kommunistische Ideologie griff dieses säkularisierte Christentum also bestimmte reelle Erscheinungen der modernen Gesellschaft heraus (Proletariat und Klassenkampf bzw. Volk und Raumordnung) und verabsolutierte sie religiös. Gegenüber dem Kommunismus ist dem NS eigen, dass er in einem gewissen Sinne eine pervertierte Konservative Revolution darstellte, insofern seine ideologisch verabsolutierten Elemente (zum Teil) keine genuin modernen Phänomene waren, sondern im Verfall befindliche vormoderne Relikte; aus dieser Perspektive kann er als ideologisches Bastardkind von modernem Universalismus und vormodernem Ethnopartikularismus gelten, der Kommunismus hingegen als genuin modern-universalistische Missgeburt.
Wenn wir sagen, dass alle diese Ideologien säkularisiertes Christentum darstellen, meinen wir, dass sie alle die Struktur aus abstrakt-allgemeinem und selbstbezüglichem SUBJEKT und von diesem angerufenen, sich in ihm wiedererkennenden Subjekten innehaben. Ihre jeweiligen Geschichten finden die gemeinsame historische Geburtsstunde in der Deklaration der Menschenrechte, d.h., in der Behauptung, dass statt Gott ein allgemeiner, abstrakter Mensch es sei, von dem alle gesellschaftlichen Verhältnisse sich ableiten sollen. Dieser Mensch, der materiell nicht existiert und zu den konkreten Menschen in etwa dieselbe Beziehung hat wie das Geld zu den verschiedenen konkreten Waren, ist der säkulare Gott, den die Menschen sich in ihrem eigenen Antlitz geschaffen haben und fortlaufend schaffen; um ihn jedoch zu schaffen, müssen sie jeder für sich ihre partikularen und historisch gewachsenen Unterschiede verneinen und Geschlecht, Herkunft, Rasse, Religion, Familienstand, etc. ablegen. Dieser Götze ist es ebenfalls, dessen „Würde“ laut GG 1 unverletzlich ist, womit empirisch weder seine körperliche Unversehrtheit noch sein Eigentum gemeint sein können, sondern ausschließlich seine zentrale Rolle als SUBJEKT der modernen Ideologie. Im Globalismus, der die modernen Nationalstaaten selbst dann noch negiert, wenn sie den Menschen schon auf dem Thron in Tempel platziert haben wie die Amerikaner ihren Menschenbefreier Abraham Lincoln, findet der Menschenrechtsuniversalismus seinen konsequenten, nihilistischen Fluchtpunkt: Die Herrschaft des Menschen kann nur erfolgen, indem alle Unterschiede zwischen den Menschen planiert werden. Retrospektiv werden alle Ideologien des 19. und 20. Jahrhunderts zu Erfüllungsgehilfen der Durchsetzung dieses totalitären Programms.
Ideologie als Klassenkampfplatz
Althusser selbst könnte diese letzten Betrachtungen nicht mehr teilen, denn auch er selbst glaubt an die Ideologie des Menschen und hofft, dieser im weltweiten Kommunismus zur Geltung zu verhelfen. Doch erweisen sich seine eigenen Schlussfolgerungen, wenn auch unfreiwillig, dennoch für uns als hilfreich: Mit seiner vermeintlichen Entlarvung aller (!) menschlichen Lebensäußerungen als Ideologie zur fortlaufenden Unterwerfung der Arbeiterklasse zielt er zwar wieder weit über das Ziel hinaus, trifft aber dennoch mitten ins Schwarze:
„So sei es! …“ […] Dieses Wort beweist, dass es so sein muss, damit die Dinge so sind, wie sie zu sein haben, d.h. – sprechen wir es doch endlich aus – damit die Reproduktion der Produktionsverhältnisse bis in den Produktions- und Zirkulationsprozess hinein Tag für Tag im „Bewusstsein“, d.h. im Verhalten der Individuen-Subjekte gewährleistet wird […]. Denn worum geht es eigentlich wirklich bei diesem Mechanismus der spiegelhaften Wiedererkennung […]? Die Wirklichkeit, um die es in diesem Mechanismus geht und die in den Formen dieser Wiedererkennung notwendig verkannt wird (Ideologie = Wiedererkennung/Verkennung), ist in der Tat in letzter Instanz die Reproduktion der Produktionsverhältnisse und der Verhältnisse, welche sich aus ihnen ableiten. (S. 98f.)
Unabhängig davon, ob wir wie Althusser an den ewigen Klassenkampf zwischen Bourgeoisie und Proletariat glauben, können wir – wie bereits mehrfach vorgebracht – den gegenwärtigen Versuch, die europäischen ethnokulturellen Identitäten unwiederbringlich auszulöschen, ökonomisch als Klassenkampf der Globalisten (internationales Kapital, polit-mediale Eliten und mobile Mittelschichten) gegen die Völker bzw. das Volk (nationales Kapital, lokale Mittelschicht, (autochthone) Arbeiter & Angestellte) deuten. Wie vor diesem Hintergrund ersichtlich geworden ist, warum Linke, Liberale, Konservative und alle anderen ideologischen Fraktionen dasselbe Ziel – die Abschaffung der autochthonen Völker Europas – teilen, wird ebenso ersichtlich, warum alle gesellschaftlichen Institutionen auf dasselbe Ziel hinarbeiten: Die Verwandlung der historisch gewachsenen europäischen Völker in austauschbare Massen an Konsumenten und Steuerzahlern entspricht den Interessen aller international agierenden Konzerne und wird ebenso lange voranschreiten, wie diese bzw. ihre Repräsentanten die herrschende Klasse bilden.
Selbstverständlich müssen wir in unserer abschließenden Betrachtung noch einmal daran erinnern, dass seit der Niederschrift durch Althusser 50 Jahre vergangen sind und nicht nur die Bedeutung und Kräfteverhältnisse in den bestehenden ISA sich verändert haben, sondern auch gänzlich neue entstanden sind. Der ganze Bereich der Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsbeauftragten und -institutionen, sowie akademische Felder wie die Gender und Postcolonial Studies sind neugegründete ISA der globalistischen Klasse, und daher findet in ihnen im Gegensatz zu den alten ISA kein ideologischer Kampf zwischen Globalisten und konservativen Überresten statt, wie es beispielsweise in den Kirchen oder (minimal) im Bildungssystem der Fall ist. Wiederum wollen wir gar nicht verneinen, dass es auch in diesen neueren ISA ihrerseits Kämpfe zwischen verschiedenen Fraktionen gibt: Unter Feministinnen (und, daraus abgeleitet, in den Gleichstellungsbüros) herrscht aktuell ein ideologischer Kampf zwischen sogenannten Differenzfeministinnen, Queerfeministinnen und (marginal) materialistischen Feministinnen. Diese Dreiteilung spiegelt in etwa eine Teilung in klassischen Liberalismus, progressiven Liberalismus und marxistischen Linksextremismus wieder und bildet daher die interne Ausdifferenzierung der globalistischen Klasse in Wirtschaftsliberale, postmoderne Kulturrevolutionäre und – als pseudooppositionellen Linksanhang – pro-globalistische Sozialisten ohne lästigen reaktionären Ballast ab.
Ausblick
Althusser schreibt noch vieles weitere, was uns aber nicht mehr besonders interessieren muss; teils, weil seine Analyse eben von 1970 stammt, größtenteils aber, weil er seinen eigenen Blinden Fleck nicht überwindet – die Tatsache nämlich, dass er das abstrakte und ahistorische Individuum den ideologisierten Subjekten entgegenstellen, also gerade mit dem SUBJEKT der Menschenrechte gegen dessen eigene Subjekte in den nihilistschen Krieg bis zum Kommunismus ziehen will. Auf Grundlage dieses Blinden Flecks verdreht sich aber alles Weitere, was er zur Ideologie sagen will, in sein Gegenteil. So behauptet Althusser zum Schluss einfach, dass die Kommunistische Partei als einzige Partei kein ISA sei, weil sie eben die Klassenherrschaft an und für sich bekämpfe; dass die KP Frankreichs sich ab den 1970ern von einer Arbeiterpartei in eine globalistische Migrationspartei verwandelte, vermochte er hingegen nicht vorauszusehen.
Was Althusser hingegen am Ende seinen Lesern mehrmals einhämmert – und ihm sogar noch einen ganzen Anhang widmet – ist die Tatsache, dass die ISA nicht einfach als neutrale „Funktionen“ der Gesellschaft zu deuten sind, die eben Konsens unter ihren Mitgliedern herstellen muss, sondern als Orte und Werkzeuge des Klassenkampfs, und zwar immer des Klassenkampfs von oben. Dies müssen wir uns zum Ende auch noch einmal klar machen: Alle Ideologie, jede Botschaft von jeder Institution (sei diese nun staatlich, ein Privatunternehmen, oder etwa eine Kirche) ist, vor allem anderen, ein Ideologem im totalitären Klassenkampf der herrschenden globalistischen Klasse gegen die Völker der Erde, gegen unsere Identität im Besonderen. Zwar gibt es durchaus auch „neutrale“ Botschaften, also solche, die tatsächlich einfach als „Funktionen“ einer Gesellschaft gedeutet werden könne, wie etwa das STOP-Schild oder das „DRÜCKEN“ bzw. „ZIEHEN“ an einer Tür. Doch auch solche scheinbar neutralen Felder wie Stadt-/Verkehrsplanung und Gebäudemanagement können sich nicht dem ideologischen Einfluss entziehen, und so kann, wer sich die Mühe machen und aktuelle Entwicklungen in diesen Bereichen verfolgen will, jetzt schon einen deutlichen Entwicklungsdruck hin zu einer „feministischen Stadtplanung“ etc. beobachten. Die globalistische Ideologie der absoluten und totalen Vergleichung aller Menschen zum abstrakten, allgemeinen SUBJEKT, dem Menschen ohne Eigenschaften, wird von den ISA solange ausgeübt werden, wie die globalistische Klasse an der Macht ist.