Erdbeeren & Globalismus
Dieser Beitrag erschien 2013 am damals jungen Funken.
Eine Erdbeere besteht zu 90 Prozent aus Wasser. Nur ein kleiner Teil ihrer Substanz bildet die zarten Kammern und permeablem Häute die, aneinander gefügt, das saftige Fruchtfleisch bilden.
In ihr fließt es und ist alles im Fluss und Austausch. Fault die Beere an einer Seite an, so sagt man, dass die ganze Beere verfault, dass der Fäulnissud bis in jede Pore und jede Saftkammern vorgedrungen ist.
Ebenso verhält es sich mit der globalen, vernetzten Welt, in der über ungezählte Drähte, Kabel und Wellen das irre hedonistische Gelächter aus den Metropolen des Empires bis in alle Favelas dringt.
Jede Krankheit pflanzt sich unbarmherzig fort, jede Dummheit und jeder Wahn fließt sekundenschnell durchs ganze Netzwerk, dessen Teil du bist. Jedes Gift befällt dich aus tausend Kanälen, der böse Blick vexiert dich aus tausend mechanischen Augen. Klebrige Geflechte ranken sich bald auch um das reinste, jüngste Herz. Nichts bleibt verschont.
Das Gift gelangt überall hin. Wir alle sind, ob es uns gefällt oder nicht, Saftkammern einer globalen fauligen Frucht.
Überleben können nur die, welche ihre Haut hart und impermeabel machen: Diejenigen, die ein inneres Leben haben, dass es ihnen ermöglicht dabei nicht in einer Homöostasis zu erstarren und an der inneren Melasse zu ersticken.
Ekel an der Fäulnis, in der sich andere einrichten, ist das unverkennbare Symptom einer der wenigen zu sein, deren Leid, die tiefe Wahrheit des herrschenden „Leichtigkeit“ ausspricht.
Wer zu diesem unbewusst verschworenen Orden gehört, hat in dieser Welt zwar keine Karriere, aber dafür ein Schicksal. Er hat keine Zukunft – er ist die Zukunft, wenn es denn noch eine gibt. Er ist geistig abgeschottet und unbewegt vom globalen Gurgeln des Empires, aber in seinem Inneren brodelt es. Er arbeitet in seiner geschützten Kammer im Verborgenen an einem Werkstück, das er selber ist. Er arbeitet lange und mühselig an einem Gegengift zur globalen Fäulnis, das einmal Throne fällen, Paläste einreißen und ganze Armeen vertilgen könnte. Es ist ein Antidot, das auf der einen Zunge zu Soma und auf der anderen zu Gift wird.
“We are going to cure you with poison.“
Bald kann es austreten und sich als Idee seine unaufhaltsame Bahn in allen Kanälen suchen, deren Fließgeschwindigkeit es gegen sie verwenden wird.
Die Antiglobalisierung wird global.
Einige warten bereits darauf, der Zeit dieses Geschenk zu machen, auch wenn sie dabei selbst platzen und sich in ihrem Werk auflösen könnten. Und sie sind zum Zerreißen gespannt.