Dune erklärt alles
Konservatismus in der fantastischen Literatur als politisch-historisches Gedankenexperiment
1. Dune erklärt alles
Ich erzähle hier warum ich Frank Herberts Dune, Der Wüstenplanet, für eine wichtige und hilfreiche Lektüre halte, und wie wir dieses Buch lesen sollten. Wir sagen immer Big Brother, der Große Bruder im Überwachungsstaat von George Orwells 1984, der bedrohe uns – schön und gut. Doch was geschieht jenseits davon, gesetzt der Fall, wir haben die Moderne und ihre ganze Überwachungselektronik mit der Axt wegprogrammiert, wenn der Besitz von Flüssigkristallanzeigen ein Kapitalverbrechen darstellt. Nun – es gibt diese Romanwelt, zehntausend Jahre nach dem Internet. Dort sind Denkmaschinen seit langem verboten, und dennoch ist es nicht das Paradies. Ich spreche von Dune = Düne, und nicht von „Der Wüstenplanet“, wie es uns die deutsche Übersetzung gibt. Dune, das kommt der Poesie des ganzen näher, und entspricht auch der wörtlichen Übersetzung. Ich denke dabei and das Bild „Düne am Abend“ von Lionel Feininger, das für mich mehr von der Atmosphäre einfängt, als so manches Filmplakat. Ich spreche diesen Podcast auch ein, weil ich feststelle, daß ich in Gesprächen häufig auf Thesen und Theoreme aus diesem Buch komme, so daß es sich lohnt, diese einmal zusammenzufassen.
2. Formales
Ich spreche hier über den sechs Bände umfassenden Zyklus, denn keine der Verfilmungen spricht den eigentlichen Gehalt und das Thema der Geschichte an. Die oberflächliche Abenteuergeschichte ist genau das – oberflächlich. Zumeist wird da nur der erste Band behandelt, und der ist lediglich Vorgeschichte zu einem Traktat über die Menschheit, das nach einem Antiklimax im zweiten Band, erst mit dem dritten richtig anhebt.
Der Erzählstil mag nicht sehr aufregend sein, doch das Werk ist wohlüberlegt. Frank Herbert hat nach eigener Aussage fast zehn Jahre Recherche in das Buch gesteckt. Er zieht mehrere Erzählebenen ein, erfindet Bücher, dier er dann in Kapitelüberschriften wiedergibt. Beispielweise zitiert er länglich die Enzyklopedia Galaktika, ein fiktives Werk aus den Romanen seines Kollegen Isaac Asimov. Dune wird damit polyphon und intertextuell. Später reichte Frank Herbert noch ein zweibändiges Lexikon zum Thema nach, mit dem er die Erklärungen in dem Glossar und den Anhängen ergänzte. Dune ist ein enzyklopädischer Roman. Die Fortsetzungen von Brian Herbert und Kevin J. Anderson berücksichtigen all das nicht, stellen somit lediglich Fanfiktion dar, und werden hier nicht behandelt.
3. Themen
Welches sind denn nun die Themen von Dune? Da ist zunächst die ökologische Gesellschaft. Der erste Band endet z. B. mit einem ausführlichen Anhang zur Ökologie von Dune. Dann gibt es immer wieder die Themen Transhumanismus, Konservatismus, relgiöser Fanatismus und charismatische Führergestalten. Die Renaissance des Islam wird mit einer Fußnote und dem Umstand abgehandelt, daß sich die galaktische Lingua Franca größtenteils dem Arabischen verdankt. All das ist nun nicht nur miteinander vermengt, sondern wirkt auch ständig aufeinander. Der Ökofaschismus findet seinen charismatischen Führer, Transhumanisten erpressen ihn mit der Wiedererweckung seiner ermordeten Geliebten, Fanatiker entstellen die Lehre, und ziehen mordend und brennend durch die Welt, die selbsterfüllenden Prophezeihungen nehmen ihren Lauf. Nach zwölf Jahren Djihad ist der große Führer am Ende… Fans und Feinde munkeln über seine Wiederkehr, und das sind nur die ersten zwei Bände. Die Intrige bleibt die Fortsetzung der Politik mit normalen Mitteln. Einem Hexenorden wird eine Verschwörung zur Errichtung einer eingeschlechtlichen Gesellschaft angetragen. Transhumane schmieden jahrtausende währende Pläne, welche sie dank ihrer Langlebigkeit durch immer neue Klone ihrer selbst umsetzen.
4. Aussagen
All dies wird aber hinfällig vor dem Schrecken, den der Tyrann verbreitet. In einem magischen Akt von Drogenmissbrauch und Sodomie verwandelt sich ein Nachkomme des Helden in einen hellsichtigen und unsterblichen Übermenschen (Schon wieder Transhumanismus), der Kraft seiner Hellsichtigkeit auch allmächtig wird. Dieser errichtet eine universale Diktatur, einen radikal konservativen Kirchenstaat, dem er für dreieinhalbtausend Jahre vorsitzt. Das Langweiligste daran sind die jugendlichen Rebellen, die in jeder Generation erwachen, und welche der Gottkaiser (hier kommt der Begriff ursprünglich her) mit schöner Regelmäßigkeit umerzieht, und zu seinen Ministern und Haushofmeistern heranbildet.
Irgendwann wähnt dann der Gottkaiser, daß die Leute lang genug geknechtet waren, um die ganz große Gier nach der ganz großen Freiheit zu erlangen. Er züchtet also um mehrere Ecken einen anderen Übermenschen, der in der Lage ist selbst ihn auszutricksen. Der Gottkaiser wird ermordet. Nun werden seine Überreste nicht gerade durch’s Klo gespült, doch wird der Leichnam fein verteilt. Alle wollen raus, und es kommt zu einer großen Auswanderung. Was bleibt ist der tiefe Schrecken vor dem Tyrannen. Man lebt von nun an mit zwei Ängsten, erstens die Frage, ob das jeweilige Gegenüber überhaupt noch menschlich ist, und zweitens, ob er oder sie nicht vielleicht den bösen Samen des Tyrannen in sich trägt, und sogleich wieder eine totalitäre Herrschaft errichten mag.
5 Resume.
Dann kommen alle wieder zurück, Billionen von Kolonisten aller coleur stürmen die alte Heimat. Es gibt kein Halten, und am Ende stehen sich zwei Matriarchate gegenüber, die sich bekriegen. All dies sind nun alltäglichen Ärgernisse, mit denen sich der politisch interessierte Zeitgenosse so herum schlägt, doch durch den Vefremdungseffekt einer fernen Zukunft beschreibt uns dieses Buch weniger, als daß es uns betrifft. Es hilft beim Blick über den Tellerrand, denn Dune erklärt alles.